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Märkische Justiz am Rande ihrer Kräfte - Personalmangel wird zunehmend zur psychischen Belastung

Potsdam Weitere 33 Stellen von Richtern und Staatsanwälten fallen nach dem Willen der Landesregierung in diesem und im kommenden Jahr weg. Die Hilferufe der Justiz werden lauter und verzweifelter. Neun Gerichtsvollzieher sind für das Amtsgericht Oranienburg vorgesehen, lediglich sechs sind derzeit im Dienst. „Und weitere Ausfälle zeichnen sich ab. Die verbleibenden Kollegen sind völlig überlastet. Beschwerden von Gläubigern häufen sich“, sagt Olaf Adamus, Direktor des Amtsgerichts im Kreis Oberhavel. Ähnliches Bild im Mittelbau, also bei den Leuten in der Geschäftsstelle, die unter anderem jene bei Gericht so wichtigen Schriftwechsel erledigen: Der Personalmangel werde zunehmend zur psychischen Belastung, betont Adamus.

„Man möchte die Arbeit schaffen, man tut und tut, wird aber nicht fertig.“ Erschwerend komme hinzu, dass es bei SPD und Linker kaum Verständnis für diese Nöte gebe, erklärt Adamus auch im Namen seiner Mitarbeiter. Sie würden sich allein gelassen fühlen. „Vom Justizminister hören wir hier an der Basis nichts“, so der 55-Jährige, seit 2009 Gerichtschef in Oranienburg. „Auch der neue Doppelhaushalt des Landes für 2017 und 2018 enthält nichts, worauf wir bauen können.“ Für jeden länger ausfallenden Kollegen müsse er verbunden mit viel Papierkram umständlich um Ersatz bitten. „In der Zwischenzeit türmen sich die Aktenberge weiter auf.“ Adamus’ Liste der Klagen ließe sich fortsetzen. Richtig bange wird ihm und anderen, wenn sie ein paar Jahre vorausblicken. Auf Brandenburgs Justiz rollt eine Pensionierungswelle zu, ohne dass Rot-Rot bislang mit Neueinstellungen gegensteuert. „Wir laufen Gefahr, uns 25 Jahre Aufbauleistung nach der Wende kaputt zu machen“, warnt Matthias Deller, Chef des Amtsgerichts in Königs Wusterhausen. Zwar sei sein Haus derzeit personell ausreichend besetzt. „Ich habe das Glück, dass meine sechs Gerichtsvollzieher allesamt im Dienst und auch noch recht jung sind.“

Aber das Land steuere sehenden Auges in einen massiven Mangel. Aktuell würden viele Kollegen aus dem Mittelbau nach Berlin abwandern, weil sie dort anders als in Brandenburg unbefristete Verträge erhalten. Aus diesen Gründen und weil die Bezahlung märkischer Gerichtsmitarbeiter laut Deller die zweitschlechteste bundesweit ist, gingen die Beschäftigten in dieser Woche erneut auf die Straße. In einer „aktiven Mittagspause“ forderten sie nach Gewerkschaftsangaben vor dem Potsdamer Justizzentrum lautstark mehr Wertschätzung von der Landesregierung. Schlechte Bezahlung, Personalabbau und die Überalterung des Kollegiums – um diese drei Punkte geht es den Justiz-Mitarbeitern. Claudia Odenbreit, Landesvorsitzende des Richterbunds, zeigt sich erfreut darüber, dass Gerichtsdirektoren ihrem Unmut Luft machen. „Die Justiz im Land ist am Rande ihrer Kräfte“, sagt sie. Hauptadressat der Kritik ist Finanzminister Christian Görke (Linke), der kaum mehr unternehme, als die Justiz auf den nächsten Landeshaushalt zu vertrösten. „Es verbreitet sich das Gefühl, dass wir keine Lobby haben“, so Claudia Odenbreit. Unter dem inzwischen zehn Jahre währenden Sparkurs bei der Justiz leide die Motivation. „Es gibt kein frisches Blut. Stattdessen wird von den zumeist älteren Kollegen verlangt, immer noch eine Schippe draufzulegen.“ Die Sorgen und Nöte der Justizbeschäftigten seien berechtigt, sagte der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Danny Eichelbaum, angesichts der „aktiven Mittagspause“. Er machte die verfehlte Politik von Rot-Rot für die unzureichende Personalausstattung und die schlechten Arbeitsbedingungen in der Justiz verantwortlich. Von Mathias Hausding

Quelle: Der Prignitzer, 12.02.2017