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Recht und Gesetz in Brandenburg: Überlastete Gerichte und kein Ende

Wie Anklagen von Brandenburger Gerichten von einer Strafkammer zu anderen verschoben werden - darüber hatte Klartext am Beispiel eines eklatanten Falles 2013 berichtet. Daraufhin gelobte der Direktor des Landgerichts Besserung, versprach einen Verhandlungstermin innerhalb eines halben Jahres. Jetzt - zwei Jahre später - wird noch immer nicht verhandelt. Dabei geht es um einen Schaden in Millionenhöhe. Inzwischen droht der Fall gar zu verjähren.

Staatsanwalt Christoph Lange gibt 2007 Auskunft zu einem spektakulären Fund einer illegalen Müllgrube.

Christoph Lange, Staatsanwalt, 2007

"Wir haben da mehrere Leitzordner als Beweismaterial sichergestellt, die wir jetzt auswerten müssen im Einzelnen und dann zu zuordnen, wer ist für was verantwortlich. – Also ist das ist ein große Nummer? – Das kann man so sagen."

Tatort ist diese Kiesgrube in Markendorf bei Jüterbog. Hier wurden bis 2006 130.000 Kubikmeter illegaler Müll abgeladen. Es stank bestialisch nach Fäulnisbakterien, Lösungsmitteln und Schmierstoffen. Dieser Fall gehört zu den größten Müllskandalen in Brandenburg. Mehr als zwei Jahre lang brauchten dann eine Sonderkommission mit 15 Polizisten und bis zu drei Staatsanwälte gemeinsam mit Gutachtern, um Beweise akribisch zu suchen und sicher zu stellen. Mühsame zwei Jahre für die Ermittler.

2009 freut sich Staatsanwalt Lange, die umfangreiche Anklage an das Landgericht geben zu können. Er hofft auf einen baldigen Prozess. Der Beamte vom Landesamt für Bergbau Günter L. ist unter den fünf Angeklagten. Der Tatvorwurf: Bestechung und Geheimnisverrat. Er bestreitet bis heute die Vorwürfe.

Staatsanwalt Lange 2013. Vier Jahre nach seiner Anklage wird immer noch nicht verhandelt. Er befürchtet, dass alle Mühe umsonst sein könnte.

Christoph Lange, Staatsanwalt 3.3.2013

"Uns macht natürlich in dem Zusammenhang Sorge, dass das Erinnerungsvermögen der Zeugen - und das Verfahren beruht in Wesentlichen auf Zeugenaussagen - dass das Erinnerungsvermögen abnimmt mit der Zeit, der Tatnachweis entsprechend schwieriger wird."

Dabei war es eine der schwierigsten Aufgaben der Ermittler, die Zeugen zu finden, die den Müll im Auftrag ihrer mutmaßlich kriminellen Drahtzieher dort hinfuhren. Und zwar bundesweit. Aber auch der angeklagte Beamte verlangt 2013 endlich Klarheit. Die illegale Müllgrube ist nicht das einzige große Umweltverfahren, welches auf eine Hauptverhandlung wartet. Der Gerichtspräsident macht dafür Personalmangel verantwortlich. Er verspricht aber damals:

Dirk Ehlert, Landgerichtspräsident Potsdam

"Wir sind dran. Wir haben insgesamt fünf Verfahren und die müssen wir in die Gänge kriegen. Das hat das Präsidium die Voraussetzung geschaffen, ob Umwelt oder nicht Umwelt. Uns ist das wichtig."
Wichtig? Staatsanwalt Lange sieht heute, im Jahr 2015 - schwarz für das Umweltverfahren. Er ist enttäuscht, eine Verhandlung ist nicht in Sicht.

Christoph Lange, Staatsanwalt

"Was hinzukommt, dass der Gutachter, der uns in diesem Fall zu der Gefährlichkeit der Abfälle etwas sagen konnte, mittlerweile verstorben ist, so dass wir ihn auch nicht mehr zu der Sache befragen können."
Wir fragen aber wieder beim Gerichtspräsidenten nach und wieder verteidigt er sich – wie 2013 - mit den Argumenten der Überlastung und Krankheit von Kollegen.

Dirk Ehlert, Landgerichtspräsident Potsdam

"Wenn wir jetzt mehr Richter hätten, würden wir sicherlich in der Lage sein, die Bestände, die sich angesammelt haben, schneller anzufassen. Das steht allerdings nach den sogenannten Arbeitszeitrechnungsmodellen gar nicht an. Die Landesregierung macht es nicht, weil wir berechnet werden in unserem Personaleinsatz nach den Eingangszahlen."

So hätte sich das heutige Personal nach den Eingangszahlen von 2012 berechnet. 2013 und 2014 stiegen die Fälle aber immens an. Auch sei der Krankenstand weiter gestiegen.

KLARTEXT:
"Weiß das die Politik, dass Sie zu wenig Richter haben?"

Dirk Ehlert, Landgerichtspräsident Potsdam

"Ja sie weiß es. Sie weiß es sehr deutlich. Ich weiß nicht, ob es letztlich der Landtag es weiß, aber innerhalb der Ministerialverwaltung ist es bekannt."

Der Landtag weiß es. Vor ein paar Tagen bringt die Opposition im Rechtsausschuss das Thema erneut auf die Tagesordnung.

Danny Eichelbaum (CDU), rechtspolitischer Sprecher

"Die Situation ist bekannt, es ist seit Jahren bekannt. Es ist auch bekannt, dass die Verfahrensdauer so ist, wie sie ist, nämlich völlig unzufrieden, und das weiß der Minister und es wird seit Jahren auch nicht gehandelt."
Deshalb habe die CDU eine konkrete Forderung.

Danny Eichelbaum (CDU), rechtspolitischer Sprecher

"Wir brauchen eine Masterplan für die Justiz in Brandenburg, und wir brauchen dringend mehr Stellen und eine Überarbeitung der Personalbedarfsplanung der Landesregierung. – Und was sagt der Minister im Rechtsausschuss? – Der Minister war im Rechtsausschuss nicht anwesend, sondern sein Staatssekretär konnte uns keine neuen Zahlen mitteilen. – Und konnte er Veränderungen garantieren? – Auch das konnte er nicht garantieren. – Warum nicht? - Da müssen Sie den Minister fragen."

Wollten wir, aber Helmut Markov hat auch für uns keine Zeit. Schriftlich lässt er uns mitteilen, dass er – wenn überhaupt - in den Sozialgerichten eine Verstärkung sieht und nicht alles sei mit Personal zu lösen. Man setze auf lieber auf...

"... ein stärkeres Gesundheitsmanagement, eine bessere Gerichtsorganisation und eine verbesserte Zusammenarbeit mit unseren Partnern in der Gesellschaft (z.B. Polizei, Jobcenter)".
Die Betroffenen verstehen diese Ignoranz nicht.

Dirk Ehlert, Landgerichtspräsident Potsdam

"- Wenn Sie nicht mehr Personal bekommen demnächst, könnten Sie dann Verfahren in die Verjährung gehen? - Ja, wenn der Zustand so weitergeht, gehen die Altverfahren in die Verjährung."
Der Umweltfall von Staatsanwalt Lange verjährt in 11 Monaten, sagt er. Die Angeklagten können sich auch freuen, sollte es dennoch zum Prozess kommen. Für sie wird es eine Strafmilderung geben. Strafabschlag heißt das im Gesetz. Experten schließen das nach neun Jahren nicht mehr aus:

Prof.Martin Heger, HU Berlin

"Die Strafe wird in der Form erlassen, dass er sie nicht mehr verbüßen muss. Wenn ich drei Jahre bekomme, muss ich nur noch einen Teil tatsächlich ins Gefängnis. – Weil meine Verfahren so lange gedauert hat. - Ja, weil das der Justiz zu zurechnen ist, weil die Justiz das Verfahren nicht ordentlich betrieben hat."

Den beschuldigten Beamten, Günter L. könnte man übrigens so oder so kaum noch beruflich belangen. Er ist inzwischen im Ruhestand.

Beitrag von Gabi Probst

Quelle: RBB-Sendung: KLARTEXT, 04.03.2015

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