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Europarecht „umschifft“ - Schöneburg übt harsche Kritik an der Neuregelung der Sicherungsverwahrung

Als „verfassungs- und menschenrechtlich nicht haltbar“, hat Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) die von der Bundesregierung beschlossene Neuregelung der Sicherungsverwahrung kritisiert. Mit dem geplanten „Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter“ werde versucht, das Urteil des Europäischen Gerichthofs für Menschenrechte (EGMR) zu umgehen, so Schöneburg.

Das Bundeskabinett beschloss gestern die Neuregelung des härtesten Instruments des deutschen Strafrechts. Die von der rot-grünen Bundesregierung 2004 eingeführte und mehrfach höchstrichterlich monierte nachträgliche Sicherungsverwahrung wird damit abgeschafft. „Die Sicherungsverwahrung wird es künftig also nur noch dann geben, wenn sie im Urteil bereits angeordnet oder zumindest vorbehalten war“, sagte sie. Das Gesetz soll Anfang kommenden Jahres in Kraft treten. Es sieht auch die Einführung der elektronischen Fußfessel zur Überwachung entlassener Straftäter vor.

Kernpunkt der Einigung ist das Unterbringungsgesetz. Damit will die Regierung explizit jene Lücke schließen, die das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg Ende 2009 riss. Der EGMR hatte die nachträglich verhängte Verwahrung kritisiert und zugleich gefordert, dass Sicherungsverwahrte in gesonderten Anstalten untergebracht werden müssten. Rund 80 Straftäter standen durch das Urteil vor der Entlassung, obwohl sie noch als gefährlich galten.

Zumindest ein Teil der Täter, nämlich jene mit psychischen Störungen, soll mit dem Gesetz wieder in einer geschlossenen Anstalt untergebracht werden. „Die meisten der nach der Straßburger Entscheidung Entlassenen können damit voraussichtlich wieder verwahrt werden“, sagte die rechtspolitische Sprecherin der Brandenburger FDP-Fraktion, Linda Teuteberg. „Somit werden Schutzlücken geschlossen.“ Im Brandenburger Justizressort hält man das Gesetz für „nebulös“. Das Urteil des EGMR werde vom Bund nicht ernstgenommen, „sondern soll nur umschifft werden“, sagte Schöneburg.

Der rechtspolitische Sprecher der Brandenburger CDU-Fraktion, Danny Eichelbaum, nannte den Entwurf dagegen europakonform und rechtssicher. „Die Union hat sich mit ihren rechtspolitischen Vorstellungen durchgesetzt“, sagte er. Die Schaffung neuer Einrichtungen werde kosten- und personalintensiv sein. „Gegenzurechnen sind jedoch der Wegfall der polizeilichen Überwachung der Freigelassenen sowie die eventuelle Vermeidung weiterer Strafverfahren bei erfolgreichen Therapiemaßnahmen.“ Allein für die Überwachung zweier entlassener Täter in Brandenburg fielen 80 000 Arbeitsstunden für die Polizei an (MAZ berichtete).

Die Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung, etwa die Schaffung geeigneter Einrichtungen, ist Sache der Länder. Brandenburg und Berlin wollen bis Ende des Jahres Eckpunkte einer gemeinsamen Regelung vorlegen. Schöneburg hatte die Justizvollzugsanstalt Brandenburg/Havel als gemeinsame Anstalt ins Gespräch gebracht. (Von Torsten Gellner)

 

Das ändert sich im deutschen Strafrecht

 

* Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hatte Ende 2009 die nachträglich verhängte Sicherungsverwahrung in Deutschland gekippt. Geklagt hatte ein Mann, der seit 18 Jahren in Hessen so verwahrt wurde.

* Die rund 80 Täter, die nach dem Straßburger Urteil freigelassen werden müssen, müssen von zwei Experten begutachtet werden, die bisher nicht mit den Fällen befasst waren. Wenn sie psychisch gestört sind und eine

* Gefährlichkeit auch daher rührt, sollen sie in speziellen Einrichtungen therapiert werden.

* Die Möglichkeiten der Richter werden ausgebaut, sich eine spätere Anordnung der Sicherungsverwahrung je nach Entwicklung des Häftlings vorzubehalten.

* Die elektronische Fußfessel wird möglich gemacht. Die satellitengestützte Ortung kann bei entlassenen Straftätern eingesetzt werden, die unter Führungsaufsicht stehen. MAZ


Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 21.10.2010

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