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Kein Kindergeld mehr für Eltern junger Krimineller? - Brandenburger Politiker wollen damit Betreuung, Erziehung und Ausbildung in Haftanstalten verbessern

Im Potsdamer Landtag zeichnet sich Unterstützung für den Vorstoß ab, Eltern inhaftierter Jugendlicher und Heranwachsender das Kindergeld zu streichen. Stattdessen soll es direkt in die Betreuung und die Ausbildung in den Strafanstalten gehen.

Die früheren Koalitionspartner SPD und CDU begrüßten die Forderung von Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) nach eine Neuregelung des Einkommenssteuergesetzes. Der SPD-Rechtsexperte im Landtag, Ralf Holzschuher, sagte, „dies sei ein kleiner Schritt in die richtige Richtung“. Haftanstalten für den Jugendvollzug müssten den Kinderheimen gleichgestellt werden. „Da bekommen die Eltern auch kein Geld“, sagte der Jurist. Für den Steuerzahler sei es eine hohe Belastung, der Entzug des Kindergeldes daher gerechtfertigt, „zumal um die Betreuung und die Erziehung in den Haftanstalten zu verbessern“, „dort wo die Kosten anfallen“. Ähnlich äußerte sich der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Danny Eichelbaum.


In Brandenburg sitzen derzeit 210 Jugendliche in den Anstalten von Cottbus-Dissenchen und Wriezen in Haft. Hinzu kommen weitere Jugendliche und Heranwachsene in Untersuchungshaft in Neuruppin-Wulkow. Rein rechnerisch ergeben sich mindestens 464 000 Euro an Kindergeld, das bislang den Eltern zukommt. Erst im Januar war die Zahlung auf monatlich 184 Euro erhöht worden. Nun wächst die Kritik an der bisherigen Praxis, weil viele ältere Jugendliche in Haft auf Kosten der Steuerzahler eine Ausbildung bekommen, die Eltern aber das Geld kassieren. Hinzu kommen die Kosten für die Haft an sich.

Beim Kindergeld kann nach dem Einkommenssteuergesetz die „Auszahlung auch an die Person oder Stelle erfolgen“, „die dem Kind Unterhalt gewährt“. Kinderheime bekommen bereits das Kindergeld für betreute Mädchen und Jungen, Haftanstalten nicht.

Berlins Justizsenatorin sieht bereits „einen breiten gesellschaftlichen Konsens“ für eine Änderung auf Bundesebene, mit der Gefängnisse den Heimen gleichgestellt werden. Auch der baden-württembergische Noch-Ministerpräsident und für die EU-Kommission vorgesehene Günther Oettinger hatte sich dafür ausgesprochen, Eltern junger Krimineller das Kindergeld zu streichen. Neu ist die Initiative aus Berlin, die Zahlung an die Jugendanstalten weiterzureichen. In Brandenburg gibt es dafür breite Zustimmung. „Ein unterstützenswerter Vorschlag“, erklärte CDU-Rechtsexperte. Dies dürfe jedoch nicht als Strafe für ein fehlgeschlagene Erziehung durch die Eltern ausgelegt werden. „Darum geht es nicht. Diese Eltern sind in solchen Fällen aber objektiv nicht in der Lage, Erziehung und Ausbildung der Kinder zu gewährleisten. Sie können diese Funktion nicht erfüllen, wenn die Kinder nicht bei ihnen sind.“

Die CDU in Berlin erhofft sich sogar eine präventive Wirkung, damit sich Eltern besser um ihren Nachwuchs kümmen, und kritisiert, bislang würden Eltern von Inhaftierten finanziell besser gestellt.

Bündnis 90/Die Grünen im Landtag hingegen lehnen den Vorschlag ab. Fraktionsgeschäftsführerin Marie Luise von Halem sprach von einer „sehr merkwürdigen Debatte“. Selbst wenn die Kinder überwiegend nicht im Elternhaus lebten, gebe es Kosten, etwa für ein Kinderzimmer. „Kindergeld ist keine Gratifikation für gute oder schlechte Erziehung“. FDP-Rechtsexpertin Linda Teuteberg sprach von einem „bedenkenswerten Ansatz, den man mit Augenmaß umsetzen muss. Man darf das nicht mit Erziehungsversagen begründen“. Nur wenn der Unterhalt auf lange Zeit im Gefängnis geleistet wird, also bei längeren Haftstrafen, in denen Jugendliche besonders gefördert würden, sei solch ein Verfahren sinnvoll, bei kurzen aber nicht. In der Linke-Fraktion ist das Vorhaben noch kein Thema. Am Montag trifft sich der Arbeitskreis für Justizfragen. Die rechtspolitische Sprecherin Margitta Mächtig steckte bis Sonntag um Wahlkampf für den Landratsposten im Barnim. Und Justizminister Volkmar Schöneburg hat in der vergangenen Woche am Rande der Landtagssitzung bei einigen Abgeordneten zumindest den Eindruck hinterlassen, „dass er es als sinnvolles Anliegen ansieht“. Jedenfalls will Schöneburg demnächst mit seiner Berliner Amtskollegin von der Aue sprechen. Das Kindergeld sei aber nicht zentrales Problem der Justiz in Brandenburg, hieß es. Vorrang dürfte Schöneburgs Vorschlag haben, Haftplätze in nicht ausgelasteten Gefängnissen Brandenburgs mit Strafgefangenen aus Berlin zu belegen.

Quelle: Potsdamer Neueste Nachrichten, 25.01.2010