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Sozialgerichte kämpfen weiter gegen Hartz-IV-Klageflut
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- Sonntag, 03. August 2014 12:13
Potsdam (dpa) Bundesweit kämpfen die Sozialgerichte gegen eine Flut von Hartz-IV-Klagen. Während im benachbarten Berlin immerhin ein leichter Rückgang beobachtet wird, steigen die Zahlen in Brandenburg weiter.
Hartz-IV-Klagen sorgen in Brandenburg weiter für eine angespannte Situation an den Sozialgerichten. "Die Anzahl offener Verfahren ist im ersten Halbjahr 2014 erneut angestiegen", sagte der Sprecher des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, Axel Hutschenreuther, der Nachrichtenagentur dpa. Demnach blieben bis Ende Juni an den vier Sozialgerichten des Landes 21 162 dieser Fälle unerledigt - ein Plus um zwei Prozent gegenüber dem Jahresbeginn. Laut Hutschenreuther sind in Potsdam, Neuruppin, Frankfurt (Oder) und Cottbus insgesamt 7435 neue Verfahren eingegangen, in denen um die Grundsicherung für Arbeitsuchende gestritten wird.
Die Situation wirkte sich auf das Gesamtbild aus: Nach Angaben des Sprechers blieben seit Jahresbeginn 35 603 Verfahren (30. Juni) unerledigt - ein Anstieg von 1,5 Prozent. Damit droht eine weitere Verlängerung von Wartezeiten für Kläger. Knapp sieben Prozent der Verfahren waren zu Jahresbeginn bereits drei Jahre und länger anhängig, so der Sprecher. Wegen überlanger Verfahren hatte das Landessozialgericht in Potsdam im vergangenen Februar Klägern in mehreren Fällen Entschädigungen zugesprochen. So erhielt ein Mann aus Südbrandenburg laut Gericht 3600 Euro, weil er seit acht Jahren auf ein Urteil des Sozialgerichts Cottbus wartete.
Im vergangenen Jahr gingen bei den vier Sozialgerichten des Landes knapp 16 000 Hartz-IV-Klagen ein. Seit Jahren leidet auch das Landessozialgericht als Berufungsinstanz zunehmend unter der Last: 2013 kamen 3019 Neueingänge aus diesem Bereich - mehr als die Hälfte aller neuen Verfahren. 2011 lag deren Anteil laut Gericht noch bei 42 Prozent, 2012 bei 50,3 Prozent.
Nach Angaben von Vizepräsident Hermann Oesterle sind in keinem anderen Bundesland die Sozialrichter derart stark belastet wie in Brandenburg. Die rund 70 Richter reichen nach seiner Schilderung nicht aus. Der Chefposten ist zudem unbesetzt, seit die frühere Präsidentin Monika Paulat Ende 2013 in den Ruhestand gegangen ist. Nach dpa-Informationen können sich Brandenburgs Justizminister Helmuth Markov (Linke) und Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) nicht auf einen Nachfolger für das gemeinsame Gericht beider Länder einigen.
Der rechtspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Danny Eichelbaum, warf der rot-roten Landesregierung Versagen vor. "Die Probleme sind seit Jahren bekannt. Von Anfang an wurde nur Flickschusterei gemacht", so Eichelbaum. Es fehle eine langfristige Personalkonzeption. Das Justizministerium hatte noch unter Ex-Minister Volkmar Schöneburg (Linke) 2012 zusätzliche Richter an die Sozialgerichte geschickt.
Auch die Sozialrichter in Berlin ächzen neun Jahre nach Einführung der Arbeitsmarktreform weiter unter der Hartz-IV-Klageflut: Alle 22 Minuten kommt statistisch ein neues Verfahren an Deutschlands größtem Sozialgericht an. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres gab es rund 11 760 neue Fälle, wie Sprecher Marcus Howe mitteilte. Damit zeichne sich zwar ein Rückgang um etwa elf Prozent gegenüber 2013 ab, doch die Zahl der Klagen gegen Jobcenter sei weiter "enorm hoch".
Quelle: Märkische Oderzeitung, 01.08.2014