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"Ungesunde Verhältnisse" an Sozialgerichten

Brandenburgs Justizminister Markov hat sechs zusätzliche Richter geschickt - geholfen hat es bislang nicht

Von Marion van der Kraats und Alexander Fröhlich. Potsdam - Trotz eines leichten Rückgangs von Klagen bleibt die Situation bei den Sozialgerichten in Brandenburg angespannt. Obwohl Justizminister Helmuth Markov (Linke) noch in der alten Landesregierung das Personal leicht aufstocken ließ, hat sich die Lage kaum entspannt.

Seit 2005, dem Jahr der Einführung der Hartz-IV-Gesetze, steige der Aktenberg unaufhörlich an, wenn auch mit etwas abgeflachter Kurve, sagte ein Sprecher des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg in Potsdam. Die Anzahl der Verfahren, die bei den vier Sozialgerichten im Land noch unerledigt sind, werde zum Ende des Jahres bei etwa 35 880 liegen, so der Sprecher. Dies seien rund 800 Fälle mehr als noch Ende Dezember 2013.

Insgesamt werden in diesem Jahr bis Ende Dezember nach Berechnungen des Sprechers etwa 23 180 Verfahren bei den Gerichten in Cottbus, Frankfurt (Oder), Neuruppin und Potsdam neu eingegangen sein. Dies seien rund 1000 weniger als im Vorjahr (2013: 24 136). In zwei Drittel der Verfahren wird um die Grundsicherung für Arbeitsuchende gestritten. Bis Ende 2014 werden es 15 450 Fälle sein. Knapp sieben Prozent der Verfahren
waren zu Jahresbeginn bereits drei Jahre und länger anhängig, hieß es im August. Wegen überlanger Verfahren hatte das Landessozialgericht in Potsdam im vergangenen Februar Klägern in mehreren Fällen Entschädigungen zugesprochen. So erhielt ein Mann aus Südbrandenburg laut Gericht 3 600 Euro, weil er seit acht Jahren auf ein Urteil des Sozialgerichts Cottbus wartete.

Obwohl jeder Richter nach Gerichtsangaben rund 550 Fälle jährlich bearbeitet, damit über dem Bundesdurchschnitt (etwa 370) und Brandenburg deutsch- landweit an der Spitze liegt, sank die Zahl der erledigten Fälle. Knapp 22 380 Akten werden zum Jahresende geschlossen werden können. Das sind laut Sprecher etwa 1000 weniger als 2013. "Das ist ein Zeichen für ungesunde Verhältnisse", meinte er. Angesichts der Ver- fahrensflut müssten die Kläger überdurchschnittlich lang auf ein Urteil warten - etwa zweieinhalb Jahre.

Die angespannte Situation an den Sozialgerichten ist seit Jahren ein beherrschendes Thema, wenn es um das Perso- nal bei der Justiz geht. Im Oktober hatte das Potsdamer Justizministerium darum sechs zusätzliche Richter zur Verstärkung geschickt.

Bereits im Januar hatte der Vizepräsident des Landessozialgerichts, Herbert Oesterle, in einem einmaligen Vorgang ausgerechnet zum Amtswechsel des Linke-Politikers Helmuth Markov vom Finanz- zum Justizminister wegen des akuten Personalmangels Alarm geschlagen und vor einer anhaltenden Notlage gewarnt. Er hatte zügige Aufstockung des Personals von 70 Richtern um zehn Prozent - also 7 Stellen - gefordert. Oesterle hatte auch gewarnt, die vier Sozialgerichte seien "aufgrund ihrer außergewöhnlichen Belastung in vielen Fällen nicht mehr in der Lage, den verfassungsrechtlich gebotenen zeitnahen Rechtsschutz zu gewährleisten". In keinem anderen Bundesland seien die Sozialrichter derart stark belastet wie in Brandenburg. Und in kaum einem Bundesland seien die Aktenberge unerledigter Verfahren je Sozialrichter so hoch wie in Brandenburg. Das Personal werde auf Verschleiß gefahren.

Aus Sicht des rechtspolitischen Sprechers der CDU-Landtagsfraktion, Danny Eichelbaum, verkenne die rot-rote Regierung die "dramatische Lage" an den Gerichten. "Die Flickschusterei muss endlich ein Ende haben", meinte Eichelbaum. "Die Sozialgerichte in Brandenburg haben seit Langem ihre Belastungsgrenze überschritten. Die Folgen sind Langzeitprozesse und extreme Belastungen für Richter und Mitarbeiter."

Quelle: Potsdamer Neueste Nachrichten, 23.12.2014

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