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Gewaltopfer vermissen Hilfe

Potsdam (MOZ) Mit einem neuen Gesetz will der Bund die Opferrechte stärken. Die Betroffenen sollen unter anderem während der Prozesse psychologisch begleitet werden. Derzeit gibt es in Brandenburg aus der Sicht von Hilfeeinrichtungen noch große Defizite.

Es gibt positive und negative Geschichten, die Veronika von Eichborn erzählen kann. So war eine junge Afrikanerin in Luckenwalde auf einem Bahnhof von Rechtsextremen geschlagen worden. Eine Polizistin habe sich fürsorglich um die Frau gekümmert, sei mit ihr zum Arzt gefahren, anschließend zur Unterkunft. "Sie gab ihr zu verstehen: Du bist in Sicherheit", sagt die Mitarbeiterin des Vereins Opferperspektive.

In einem anderen Fall hatten maskierte Neonazis im vergangenen August einen Mann in Spremberg überfallen. Die Täter trugen T-Shirts der rechtsextremen Band "Frontalkraft". Von einer Anzeige rieten die Polizeibeamten ab, da die Erfolgsaussichten gering seien. "Das ist ein Beispiel, wo einiges falsch gelaufen ist", sagt von Eichborn. Rückendeckung vonseiten der Kommune hatte das Opfer ebenfalls nicht erfahren.

Die Beraterin und ihre Kollegen kümmern sich um Menschen, die rechtsextremen oder rassistischen Angriffen ausgesetzt waren - 110 Opfer wurden von ihnen im vergangenen Jahr betreut. Viele begleiten sie auch zu Prozessen. Allein die Aufarbeitung der Tat vor Gericht werde zum Kraftakt, erzählt sie. "Sie müssen psychisch stabilisiert werden, sonst ist eine Zeugenaussage gar nicht zu bewältigen."

Doch nach wir vor gibt es aus Sicht des Vereins große Defizite beim Opferschutz: So wird in Akten die Anschrift des Geschädigten nicht geschwärzt, was dazu führen kann, dass Täter vor der Wohnungstür stehen. Zudem erhalten Opfer in vielen Fällen keine Bestätigung ihrer Anzeige. Darüber hinaus fehlen in Brandenburger Gerichten Zeugenzimmer, in denen die Opfer bis zu ihrer Aussage abgeschirmt werden. "Dadurch kommt es immer wieder zu Einschüchterungen auf dem Gerichtsflur."

Nach einem Gesetzentwurf des Bundes sollen jedoch bestehende Lücken beim Opferschutz beseitigt werden. So ist eine kostenlose psychosoziale Beratung für Betroffene geplant, ebenso sollen ihre Informationsrechte gestärkt werden. Hintergrund ist eine EU-Richtlinie, die bis November umgesetzt werden muss. Im Brandenburger Justizministerium heißt es jedoch, dass man erst abwarte, bis Bundestag und Bundesrat das neue Gesetz beschließen. Erst dann würden entsprechende Strukturen geschaffen, finanzielle Mittel seien bereits eingeplant. "Wir sind beim Opferschutz aber schon seit Jahren gut aufgestellt", meint ein Ministeriumssprecher.

Dies bewerten Opferhilfe-Einrichtungen jedoch anders. "Es gibt allein riesige Versorgungslücken bei einer Therapie für Menschen, die durch eine Straftat traumatisiert wurden", sagt Rosemarie Priet, Leiterin der Opferhilfe Brandenburg. Eine vom Träger betriebene Traumaambulanz existiert bislang nur als Modellprojekt in Potsdam. Nach Auffassung der Landesregierung sind zusätzliche Angebote jedoch nicht notwendig, berichtet sie. Betroffene sollen sich demnach an psychiatrische Kliniken wenden.

Priet kritisiert, man müsse seit Jahren für die Finanzierung der Beratungsstellen im Land kämpfen, die unter anderem mit Lottomitteln unterstützt werden. Auch nach Einführung der neuen Opferschutzrichtlinie wird es ihrer Ansicht nach kein flächendeckendes Angebot einer psychosozialen Beratung geben. "Es findet noch nicht einmal in sämtlichen Polizeidienststellen eine Beratung der Opfer statt. Die wissen gar nicht, wohin sie sich mit ihren Problemen wenden sollen." 520 Kriminalitätsopfer suchten 2013 die Berater der Opferhilfe auf - die Zahl der Betroffenen steigt seit Jahren. Auch der CDU-Justizexperte Danny Eichelbaum fordert die Landesregierung auf, die Defizite zu beheben. "Opferschutz muss in Brandenburg auf eine stabile finanzielle Grundlage gestellt werden", so der Landtagsabgeordnete. Es sei fatal, dass viele Geschädigte keine emotionale Unterstützung in den Strafverfahren erhalten.

Bei rechtsextremen Gewalttaten sei auch eine Unterstützung durch Kommunalpolitiker oder Nachbarn wichtig, sagt Veronika von Eichborn. "Es ist wichtig, wenn Unterstützer mit zum Prozess kommen. Leider vermissen wir immer noch häufig diese Solidarität mit Opfern."

Quelle: Märkische Oderzeitung, 03.03.2015

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