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Ermittlungen in Nauen - Polizei geht von größerer Terror-Gruppe aus

Eine Neonazi-Zelle soll für den Brandanschlag auf eine Turnhalle in Nauen verantwortlich sein. Die Polizei geht aber von einem viel größeren Unterstützerkreis aus.

von Alexander Fröhlich. Nachdem die Polizei in Nauen eine Neonazi-Zelle ausgehoben hat, die für den Brandanschlag auf eine als Asylunterkunft vorgesehene Turnhalle und andere Taten verantwortlich sein soll, gehen die Sicherheitsbehörden davon aus, dass weitaus mehr Rechtsextremisten bei der Terror-Truppe mitmachen und der Unterstützerkreis der Neonazi-Zelle weitaus größer ist. Bislang gibt es fünf Verdächtige, gegen die etwa wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt wird. Kopf der Gruppe ist Maik Schneider, 29 Jahre alt, Stadtverordneter in Nauen und Kreistagsabgeordneter der NPD im Havelland. Zudem ist ein weiterer Verdächtiger NPD-Mitglied, auch die anderen sind als NPD-Sympathisanten bekannt. Schneider und der weitere Tatverdächtige Dennis W. sitzen in Untersuchungshaft. W. war mehrere Tage untergetaucht, bis die Fahnder ihn in einer Wohnung aufspürten.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt noch nicht

Die Bundesanwaltschaft nimmt vorerst jedoch keine Terrorermittlungen auf, schließt dies mit Blick auf neue Erkenntnisse aber auch nicht aus. Bislang wird der Neonazi-Zelle der Brandanschlag auf eine Sporthalle in Nauen im August 2015 vorgeworfen, die als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden sollte. Die Halle wurde dabei völlig zerstört. Die Gruppierung soll zudem aus rassistischen Motiven das Auto eines Polen in Brand gesetzt, Parteibüros der Linken angegriffen und weitere rechte Straftaten verübt haben. Die Sicherheitsbehörden nehmen aber an, dass die Neonazi-Zelle für eine Reihe weiterer Taten verantwortlich ist: mehrere Attacken auf ein Büro der Linkspartei, den Brandanschlag auf Lokalpolitiker der Linken sowie einen Drohbrief mit Aufruf und Anleitung zum Bombenbau gegen Flüchtlinge. Auch die Verbindungen deutschlandweit, aber besonders in der Hauptstadtregion zu anderen Gruppierungen werden überprüft. Nach den Lehren aus dem NSU-Skandal soll unbedingt vermieden werden, dass ein neues Untergrund-Netzwerk von Neonazis unerkannt bleibt. Sollten sich im Lauf der Ermittlungen Anhaltspunkte für die Bildung einer terroristischen Vereinigung ergeben, werde das Verfahren an den Generalbundesanwalt übergeben, heißt es von der Staatsanwaltschaft Potsdam.

Die Zerschlagung der Neonazi-Zelle gilt als wichtiger Erfolg

Für die Landesregierung und die Polizeiführung ist die Zerschlagung der Neonazi-Zelle ein wichtiger Erfolg. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) sagte, die Polizei werde alles tun, um rechte Straftaten zu unterbinden und aufzuklären, gerade weil die Behörden einen Anstieg beobachten. 2015 gab es in Brandenburg viermal so viele Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte wie im Vorjahr. Der Staatsschutz registrierte 2015 insgesamt 141 derartige Attacken, gegenüber 36 im Jahr zuvor. Angesichts dieser Zahlen hat der Fall Nauen hohen symbolischen Wert. Denn ansonsten sieht es bei der Polizei wenig rosig aus. Der Staatsschutz ist völlig unterbesetzt, das sieht selbst Schröter so. Der Fall Nauen und zuvor die Entführung von Elias in Potsdam haben massiv Kriminalbeamte gebunden. Riccardo Nemitz, Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), sagt, die Aufklärung schwerster Straftaten wie in Nauen sei eigentlich Tagesgeschäft. „Viele Hunderte anderer Ermittlungsverfahren sind liegen geblieben und konnten nicht so untersucht werden, wie es geboten gewesen wäre.“ Auch bei rechten Straftaten.

16 Haftbefehle gegen Rechtsextreme sind nicht vollstreckbar

Obendrein schaffen es die Behörden nicht einmal, rechtsextreme Straftäter hinter Gittern zu bringen. In Brandenburg sind derzeit sechzehn Haftbefehle im Zusammenhang mit rechtsextrem motivierter Kriminalität nicht vollstreckbar, die Verdächtigen sind nicht zu finden. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage des CDU-Rechtsexperten Danny Eichelbaumhervor. „Ein Fahndungserfolg allein wie in Nauen reicht nicht aus, dafür ist die aktuelle Bedrohungslage durch zunehmende rechtsextreme Bestrebungen und ansteigende politische Gewalt im Land zu groß“, sagte Eichelbaum dem Tagesspiegel. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum es nicht gelingt, die Haftbefehle zu vollstrecken. „Im Kampf gegen den Extremismus sind deutliche und konsequente Antworten des Rechtsstaates erforderlich. Dazu gehört es, dass die per Haftbefehl gesuchten Straftäter endlich ins Gefängnis kommen.“

Mehrere Angriffe auf Ausländer am Wochenende

Am Wochenende gab es in Brandenburg mehrere Angriffe auf Ausländer und ein Asylheim. In Cottbus hat ein Unbekannter einen 36-jährigen Mann aus Pakistan verletzt. Der Mann sei bei dem Vorfall in der Nacht zu Sonntag fremdenfeindlich beleidigt, geschlagen und getreten worden, teilte die Polizei mit. Die Verletzungen hätten im Krankenhaus behandelt werden müssen. Ein 57-jähriger Angolaner, der helfen wollte, sei ebenfalls attackiert worden. Die Polizei ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung gegen Unbekannt. In der gleichen Nacht wurde auch eine Flüchtlingsunterkunft in Königs Wusterhausen angegriffen. Zwei alkoholisierte Männer versuchten zunächst die Asylunterkunft unter einem Vorwand zu betreten, wurden aber nach Pöbeleien abgewiesen. Kurz darauf seien die 24 und 30 Jahre alten Männer vermummt zurückgekehrt und hätten ein Fenster mit einer Flasche eingeworfen. In einer Diskothek in Prenzlau wurden am Sonntagmorgen fünf Asylbewerber zunächst beschimpft und anschließend angegriffen. Drei der Männer seien dabei verletzt worden, ein 31-jähriger Afghane musste ambulant im Krankenhaus behandelt werden. Die Täter sind noch nicht gefasst.

Quelle: Tagesspiegel, 08.03.2016

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