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Presseecho / Landtag

Missbrauchsfall in Erkner: Eltern erheben schwere Vorwürfe

Ein Erzieher einer evangelischen Kita in Erkner (Oder-Spree) soll ein vierjähriges Mädchen missbraucht haben. Vor rund einem Jahr wurde der Mann deswegen auf Bewährung verurteilt. Die Eltern des Kindes erheben nun schwere Vorwürfe gegen die evangelische Kirche und die zuständigen Staatsanwaltschaften Frankfurt (Oder) und Cottbus.

Eltern, deren Kind eine evangelischen Kita in Erkner besuchte, erheben jetzt schwere Vorwürfe gegen die evangelische Kirche und die zuständigen Staatsanwaltschaften Frankfurt (Oder) und Cottbus.

Ihre vierjährige Tochter Lisa (Name geändert) soll von einem Erzieher missbraucht worden sein. Der Fall wurde im August 2014 öffentlicht. Ende September 2015 wurde der Erzieher auf Bewährung verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Der rbb fand jetzt heraus, dass sich der mutmaßliche Täter seitdem, also zwei Jahre lang, keinerlei Kontrollen unterziehen musste. Auf Nachfrage erklärt die zuständige Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) dem rbb, dass sich "der Täter selbst in eine Therapie begeben habe". Gleichzeitig bestätigt sie, dass es diese Auflage ebenfalls vom Gericht gab. Da das Urteil nicht rechtskräftig ist, wird auch nicht kontrolliert.

Verdacht auf weitere Missbrauchstaten

Der Missbrauch soll 2014 während des Mittagsschlafes stattgefunden haben. Der Vater kann nicht verstehen, wie so etwas unentdeckt bleiben konnte, denn im Nachgang wurden noch rund 40 mutmaßliche Missbrauchstaten an zehn Kindern bekannt, auch in der Kita Woltersdorf und schon in der Praktikumszeit des Verdächtigen 2010 und 2011. Der Vater von Lisa zweifelt an der ordnungsgemäßen Betreuung der Kinder. Er sagte dem rbb: "Was mich nicht nachvollziehbar ist, wie ein Täter so viele Kinder anfassen konnte in Gruppenräumen, während der Hauptbetreuungszeit allein mit so vielen Kindern war. Wir haben diesbezüglich auch eine Aussage von einer Kita-Bediensteten selbst, dass auch das technische Personal beauftragt wurde, auf die Kinder aufzupassen. Für mich ist das von der berufsethischen Auffassung eine große Schweinerei."

Keine Strafanzeige von Seiten der Kita

Nachdem die Vorwürfe 2014 durch den Vater von Lisa bekannt wurden, meldete sich auch eine Mitarbeiterin der Kita, die Derartiges beobachtet haben will. Nach rbb-Recherchen bot man dem Erzieher dann einen Aufhebungsvertrag an. Und statt dafür zu sorgen, dass er nicht mehr als Erzieher arbeiten darf, erhielt er eine Beurteilung, ohne Andeutung auf die Vorfälle. Eine Strafanzeige stellte die Kita-Leitung nie, obwohl der Erzieher später ihr gegenüber weitere Missbrauchsfälle einräumte und auch Namen nannte.

Wie der Superintendent der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg im Kirchenkreis Oderland-Spree, Frank Schürer-Behrmann, dem rbb im Interview sagte, bedaure man die Vorfälle sehr. Er gibt zu, dass der mutmaßliche Missbraucher auch zeitweise allein mit den Kindern war. Eine Schuld der Kita-Leitung sieht er jedoch nicht. "Die Erzieher haben sich dem Grunde nach den Regeln verhalten", so Frank Schürer-Behrmann. "Wir haben Handlungsrichtlinien und an die halten wir uns."

Am 18. Januar 2017 wird eine neue Verhandlung im Fall Lisa stattfinden. Dann werden auch die weiteren Missbrauchstaten an anderen Kindern am Landgericht Frankfurt (Oder) verhandelt. Der Vater von Lisa meint, die Staatsanwaltschaft habe zu spät reagiert, auch im Hinblick auf weitere, mutmaßliche Missbrauchstaten. Die Staatsanwaltschaft widerspricht und erklärt auf Nachfrage wörtlich: "Am 29.09.2015, dem Tag der Hauptverhandlung, ergab sich der Anfangsverdacht." 

Nur der "Fall Lisa" wurde 2015 verhandelt

Nach rbb-Recherchen erhärtet sich die Aussage des Vaters. Denn schon im Februar 2015 hatte der Verteidiger des Angeklagten Erziehers der Staatsanwaltschaft angeboten, dass sein Mandant "reinen Tisch" machen und "weitere Taten gestehen wolle", die nicht Gegenstand der Ermittlungen im Fall Lisa seien. Obwohl die Staatsanwaltschaft einen Vermerk darüber fertigt, passiert bis zur Hauptverhandlung im September 2015 nichts weiter. Deshalb wird 2015 auch nur der Fall von Lisa verhandelt. Erst danach ermittelt die Staatsanwaltschaft weiter.

Der Erzieher ist aber auf freien Fuß. Dabei gäbe es Handlungsbedarf, könnte der Täter eine potentielle Gefahr sein. Nach rbb-Recherchen soll der Erzieher seit Jahren auch Kinderpornografie konsumieren - eine Straftat. Und obwohl die, für diese Delikte zuständige Staatsanwaltschaft Cottbus in das Verfahren eingebunden wurde, kontrolliert sie weder Computer noch Handys des Erziehers.

Der Vater von Lisa hat dafür kein Verständnis, zumal er gern wüsste, ob der Erzieher nicht Fotos von seiner Tochter aufgenommen hat. "Trotz Nachfragen durch mich persönlich keine diesbezüglichen Maßnahmen seitens der Staatsanwaltschaft", hieß es von Lisas Vater gegenüber dem rbb. "Es gab noch nicht einmal Befragungen der Mitarbeiter, ob auffälliges Verhalten entsprechend EDV beobachtet worden ist in den letzten Monaten durch den Täter."

Eltern versuchen Behörden für Thema zu sensibilisieren

Zwei Jahre lang versuchen die Eltern, Behörden für dieses Problem sensibel zu machen. Sie legten alle Details auch dem CDU-Rechtsexperte des Landtags, Danny Eichelbaum, vor. Er sieht hier einen Systemfehler und will den Fall jetzt in den Rechtsausschuss bringen. "Es stellen sich die Fragen, warum wurden Zeugen nicht vernommen, warum gab es keine Durchsuchung von PC und anderen Computern und vor allen Dingen: Warum gab es keine Auflagen, dass der Beschuldigte eben nicht mehr mit Kindern beruflich verkehren darf", so Danny Eichelbaum. "Und deshalb verlangen wir, dass der Justizminister in der nächsten Sitzung des Rechtsausschusses Rede und Antwort steht."

Auch im Bildungsministerium wurde jetzt eine Prüfung angestoßen. Wie der Pressesprecher der Behörde dem rbb mitteilt, glaube man den Eltern. Ralph Kotsch: "Sollten sich die Vorwürfe erhärten wird es Konsequenzen für die Kita haben."

Der Anwalt des Täters teilte dem rbb mit, dass sein Mandant keine Fragen beantworten möchte.

Quelle: Rundfunk Berlin-Brandenburg, 19.12.2016

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