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Sozial ungerecht - Überlastete Sozialgerichte fordern mehr Personal, im Landtag wächst der Druck: Und der Justizminister?
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- Freitag, 23. Februar 2018 10:13
Potsdam - Eigentlich hatte Justizminister Stefan Ludwig (Linke) eine gute Botschaft für die Justiz im Land, die regelmäßig über Personalnot klagt. Mit dem von der rot-roten Regierung jüngst beschlossenen Stopp des Personalabbaus in der Landesverwaltung könnten in der Justiz jetzt 151 Stellen neu besetzt werden, die bislang - nach dem Ausscheiden von Richtern oder Justizangestellten - nicht wieder besetzt werden durften. Das sagte Ludwig am Donnerstag im Rechtsausschuss des Landtages. Allerdings musste der Minister zugleich einräumen, dass die Sozialgerichte in Brandenburg davon kaum profitieren werden, nämlich mit lediglich drei Stellen. Und genau deren dramatische Lage hatte die CDU auf die Tagesordnung setzen lassen. Es sind die Gerichte, die etwa über Hartz-Vier-Bescheide der Job-Center entscheiden.
In der Sitzung stellte Ludwig zwar mehr Personal für die Sozialgerichte in Aussicht, aber frühestens in einem Jahr: „Wir werden versuchen, mit dem Haushalt 2019/2020 eine bedarfsgerechte Stellenausstattung zu erreichen.“ Der Opposition von CDU, Grünen und AfD reichte das nicht. „Wir hören das jedes Jahr“, sagte Danny Eichelbaum (CDU). Das sei unverantwortlich und „sozial ungerecht. „Es muss jetzt gehandelt werden!“, sagte der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Benjamin Raschke. Aber auch der SPD-Abgeordnete Erik Stohn, zugleich Generalsekretär der Landes-SPD sieht Handlungsbedarf: Das Sicherheits- und Gerechtigkeitsgefühl der Menschen werde davon beeinflusst, wie schlagkräftig die Justiz sei, sagte er. Erst jüngst hatte wie berichtet die neue Präsidentin des Landessozialgerichtes Berlin-Brandenburg, Sabine Schudoma, Alarm geschlagen. Sie fordert - wie bereits ihre Vorgänger - kurzfristig mehr Personal, vor allem um „den Abbau der hohen Altbestände in überschaubarem Zeitraum bewerkstelligen zu können.“
Nach Angaben des Landessozialgerichtes gibt es allein 5000 unerledigte Verfahren, die bereits älter als drei Jahre sind. Nach einer Tischvorlage Ludwigs für den Ausschuss lagen Ende 2017 bei den Sozialgerichten 30 584 Fälle, etwa 1000 weniger als Ende 2016, wo es 31612 waren. Im Vorjahr waren 16261 neue Klagen hinzugekommen, während 17 288 Verfahren abgeschlossen wurden. Das strukturelle Problem hatte Schudoma so beschrieben: „Die vier Gerichte müssten etwa ein Jahr und acht Monate schließen und ausschließlich bis zum 31. Dezember 2017 eingegangene Verfahren bearbeiten, um den gesamten derzeitigen Aktenberg abzutragen.“ Dabei sei die Erledigungsquote bereits höher als im Bundesdurchschnitt. Die 67 Stellen seien zu wenig. Und im Alltag waren es 2017 real 62 Richter, sagte Ludwig. Und zwar „wegen längerer Erkrankungszeiten mehrerer Richter“, und weil sich fünf Proberichterinnen in Elternzeit und Mutterschutz befinden. Er erinnerte daran, dass Rot-Rot das Problem 2009 von der Vorgängerkoalition übernommen habe. Von 1999 bis 2009 hatte eine Große Koalition regiert. Den Vorwurf der Untätigkeit wies Ludwig zurück. Man habe etwa bereits 14 Proberichter an den Sozialgerichten eingestellt. Dennoch hält auch der Minister die Verfahrensdauer an den Sozialgerichten für „nicht zufriedenstellend“. 2017 lag die im Schnitt bei 23 Monaten, 2015 waren es 19 Monate. Der Anstieg sei ein mathematisch- rechnerischer, „ein statistischer Effekt“, so der Minister. „Wenn wir Altbestände abbauen, steigt der Durchschnittswert automatisch.“ Von Thorsten Metzner
Quelle: Potsdamer Neueste Nachrichten, 23.02.2018