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Gericht rügt Arbeit der Justiz

Wegen mehrerer Fehler musste der mutmaßliche Brandstifter von Nauen freigelassen werden

Die einen nennen es „Justizskandal“, die anderen einen „Tiefpunkt“ – nach der Entlassung des mutmaßlichen Brandstifters und ehemaligen NPD-Funktionärs Maik Schneider aus der Untersuchungshaft gerät Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig (Linke) zunehmend in die Kritik. Das Oberlandesgericht (OLG) hat nun die Gründe für die Entscheidung veröffentlicht, Schneider trotz Tatverdachts und möglicher Fluchtgefahr aus der Haft zu entlassen. Die Juristen werfen den Justizbehörden des Landes gleich mehrere Fehler vor, die zu dem Entschluss geführt haben. Zwar seien Ermittlungsverfahren und Hauptverhandlung vor den Strafkammern des Landgerichtes Potsdam stringent und zügig geführt worden, heißt es in der Begründung des Gerichtes. Allerdings sei es nach der Urteilsverkündung im Februar 2017 zu „erheblichen Verfahrensverzögerungen beim Landgericht Potsdam und beim Bundesgerichtshof gekommen“. Diese hätten sich auf mehr als sechs Monate summiert und seien nicht dem Angeklagten zuzuschreiben. Sein Freiheitsrecht wiege daher höher als seine mögliche Schuld, beschlossen die Richter – und ordneten seine Freilassung aus der Untersuchungshaft an. Obwohl der Angeklagte auch weiterhin des Vorwurfs der Brandstiftung, Sachbeschädigung und Nötigung dringend verdächtig ist und Fluchtgefahr besteht.

In erster Instanz war Schneider wegen des Brandanschlags auf eine Turnhalle in Nauen, die als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden sollte, zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf. Derzeit läuft der neue Prozess gegen Schneider. Schon der zweite Fall innerhalb kurzer Zeit Obwohl das Urteil des Landgerichtes Potsdam aus erster Instanz bereits im April 2017 vorlag, wurde es erst im August 2017 rechtskräftig zugestellt. Der Grund sei unter anderem gewesen, dass das Protokoll der Hauptverhandlung nicht unterzeichnet worden war, kritisiert das OLG. Das Landgericht begründet die Verzögerung mit der Vielzahl an Verfahren, mit denen die Kammern beschäftigt gewesen seien. „2017 haben doppelt so viele Haftsachen vorgelegen wie sonst üblich“, sagte Gerichtssprecher Sascha Beck. In Haftsachen gelte das Beschleunigungsgebot, weshalb wohl zu viele Verfahren terminiert worden seien. Den Beschluss des OLG nehme das Gericht zur Kenntnis und wolle die angesprochenen Verzögerungen prüfen, hieß es weiter. Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat nach Ansicht des OLG ebenfalls zu lange mit der Übermittlung der Revisionsakte an den BGH gebraucht. Und auch das Gericht in Karlsruhe habe das Verfahren unnötig verschleppt. Denn die zuständige Kammer beim BGH hatte sich laut OLG bereits Anfang März 2017 über das Verfahren des ehemaligen NPD-Mannes beraten. Erst drei Monate später sei die Schlussverfügung ergangen.

„Dass ein verurteilter Mörder und ein geständiger Brandstifter auf freiem Fuß sind, hat Ministerpräsident Woidke zu verantworten“, kritisiert der rechtspolitische Sprecher der CDU, Danny Eichelbaum, den Fall. Erst Anfang Dezember war in Brandenburg ein verurteilter Mörder aus der U-Haft entlassen worden. Auch hier wurde das Urteil viel zu spät zugestellt, weil das Protokoll der Hauptverhandlung nach Angaben des OLG verspätet unterzeichnet worden war. „Jahrelang hat er die Justiz kaputtgespart und sämtliche Warnungen ignoriert“, so Eichelbaum. Für die Grünen ist die Freilassung Schneiders ein deutliches Signal für einen „unabweisbaren Mehrbedarf“ bei der Brandenburger Justiz. „Nur weil dauerhaft zu wenig Personal in der Justiz zur Verfügung steht, ist Maik S. nun auf freiem Fuß“, sagte der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Benjamin Raschke. Für Schneiders Verteidiger, Sven-Oliver Milke, ist die Begründung des OLG nicht überraschend. „Juristisch war das ein Elfmeter ohne Torwart“, sagte Milke. Das Bundesverfassungsgericht habe genaue Vorgaben für die Dauer der Untersuchungshaft gemacht. Das hat das OLG erkannt. Schneider war deshalb nach knapp drei Jahren aus der U-Haft entlassen worden. Seit März 2016 saß er in der Justizvollzugsanstalt Neuruppin- Wulkow. An diesem Donnerstag wollte sich der Rechtsausschuss des Landtages mit der Haftentlassung Schneiders befassen. Wegen der Bombenentschärfung in der Potsdamer Innenstadt wurde die Sitzung aber verschoben.

Quelle: Berliner Morgenpost, 18.01.2019

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