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Brandenburger Vereine profitieren - Justiz verhängt mehr Geldauflagen

Vereine profitieren immer stärker von eingestellten Ermittlungsverfahren, aber es gibt Kritik an der Verteilung der Mittel: Der Weiße Ring fühlt sich „stiefmütterlich behandelt“

Gemeinnützige Organisationen und die Staatskasse haben im Jahr 2018 mehr Geld überwiesen bekommen, das aus Geldauflagen in Strafverfahren stammt. Gerichte und Staatsanwaltschaften ver- hängten insgesamt Auflagen in Höhe von 3 788 900 Euro - im Vorjahr waren es 3 288 500 Euro. So hoch wie aktuell war die Summe noch nie. Die Gründe für den Anstieg sind unklar. Manchmal reicht ein großes Verfahren mit hoher Geld-Auflage, um die Werte in die Höhe zu treiben.

Gesichert ist, dass die Anzahl der gegen Geldzahlung eingestellten Verfahren (Paragraf 153a der Strafprozessordnung) seit 2017 um 0,45 Prozent landesweit zugenommen hat. Laut Generalstaatsan- waltschaft werden rund 4,5 Prozent aller Ermittlungsverfahren auf diesem Weg abgekürzt - auch zur Entlastung der Staatsanwaltschaften und Gerichte. Die Betroffenen zahlen eine Geldsumme, sind damit das Verfahren los und umge- hen eine Vorstrafe. Gut möglich, dass sich der Trend zu solchen Einigungen finanziell bemerkbar macht.

Den mit Abstand höchsten Anteil erhielt im Jahr 2018 der Verein Opferhilfe, der sich auf die Betreuung von Leidtragen- den sexueller und anderer Gewalt spe- zialisiert hat. 82 500 Euro erhielt der Verein im Jahr 2018. Platz zwei belegt mit 41 100 Euro der Humanistische Ver- band Deutschlands - er organisiert unter anderem Jugendweihefeiern.

Die drittgrößte Summe ging an den Trä- gerverein der Nauener Tafel. An die Deutsche Knochenmarkspender-Kartei wurden 36 900 Euro überwiesen, an Ärzte Ohne Grenzen 35 300 Euro und den World Wildlife Fund (WWF) Artikellayout (Format) wurde nachträglich verändert Deutschland 34 800 Euro.

An der Verteilung der Mittel gibt es aber Kritik. So bemängelt der CDU- Rechtspolitiker Danny Eichelbaum, dass es „keine festen Kriterien“ gebe. Er for- dert mehr Transparenz, denn einige Ver- eine würden einen erheblichen Teil ihres Budgets aus den Zuweisungen bestrei- ten. „Es fehlt die Nachweispflicht, was die Vereine mit dem Geld machen“, so der CDU-Parlamentarier.

Es sei außerdem sicherzustellen, dass „nicht immer dieselben Vereine bedacht werden“, sagt Eichelbaum. Allerdings spricht er sich dafür aus, Organisatio- nen Priorität einzuräumen, die auch wirklich Kriminalitätsopfer betreuen. Tatsächlich hat das Justizministerium 2009 verfügt, dass bei Verfahrensein- stellungen nach Paragraf 153a der Straf- prozessordnung - also wegen geringer Schuld und fehlenden öffentlichen Inter- esses an einer Fortführung des Verfah- rens - die oft verhängte Geldauflage „in angemessenem Umfang“ an solche Ver- eine geht.

Doch bleibt die Verteilung umstritten. „Wir werden stiefmütterlich behandelt“, beklagt etwa Jürgen Lüth, Chef der Opferhilfs-Organisation Weißer Ring. Mit etwa 36 000 Euro erhielt der traditi- onsreiche Verein nicht einmal halb so viel Geld wie der Verein Opferhilfe. „Es ist zu beobachten, dass der ein oder andere Richter seine Schwerpunkte woanders sieht als bei der Hilfe für Opfer“, sagt Lüth. Tatsächlich sind unter den Empfängern auch das Astro- nomische Zentrum Bernau (1000 Euro), das Sinfonieorchester Collegium musi- cum in Potsdam (6300 Euro) oder diverse Tierschutzvereine.

Lüth hat mehrere Gerichte angeschrie- ben. „Man denkt offenbar, der Weiße Ring kann sich allein helfen“, so der ehemalige Polizeipräsident von Cottbus. Der Verein sei auf regelmäßige Beteili- gung an den Geldauflagen angewiesen. „Viele andere schielen auch nach dem Geld, aber die Vereine, die tatsächlich Opfern helfen, müssten an erster Stelle stehen“, so der ehrenamtliche Vorsit- zende des Weißen Rings.

Beim Oberlandesgericht verweist man auf die Unabhängigkeit der Richter. Tat- sächlich darf das Justizministerium den Richtern gar nicht hineinreden, wie sie das Geld verteilen. Grundsätzlich kön- nen Richter auf eine vom Oberlandesge- richt geführte Liste von Hunderten potenzieller Empfänger zurückgreifen. Die müssen, wollen sie in die Liste auf- genommen werden, ihre Gemeinnützig- keit nachweisen.

„Als Staatsanwalt und Richter wird man zugeschüttet mit Werbematerial“, sagt Claudia Cerreto, Vorsitzende des Deut- schen Richterbundes in Brandenburg und Direktorin des Amtsgerichts Nauen (Havelland). „Die meisten Richter ver- suchen, nicht einseitig zu sein und regionale Angebote zu berücksichtigen“, sagte sie. Es gebe die Idee, das Geld wie Lottomittel in einen Fonds zu schütten und von dort zu verteilen. Das aller- dings, so Cerreto, würde den Richtern die Möglichkeit nehmen, gegenüber den Angeklagten den Charakter der Tat zu berücksichtigen. Cerreto regt an, eine Art Compliance-Regelung zu schaffen, damit kein Richter oder Staatsanwalt Vereine bedenke, denen er oder Ange- hörige nahe stünden.

Autor: Torsten Gellner

Kommentar Verteilung von Geldauflagen

Intransparent

Fast 3,8 Millionen Euro verteilten Bran- denburgs Gerichte 2018 an gemeinnüt- zige Vereine. Geld, das aus Auflagen aus Strafverfahren stammt, und über das die Richter in der ihnen zugebilligten Unabhängigkeit entscheiden. Im Prin- zip ist das eine gute Sache, wenn der Zuwendungsempfänger im Zusammen- hang mit dem begangenen Delikt steht. Es kann dann ausgleichende Gerechtig- keit sein, wenn ein Tierquäler an eine Tiernotrettung spenden muss oder Geld aus einem Verfahren wegen häuslicher Gewalt an ein Kinderschutzzen-trum oder Frauenhaus geht. Das folgt einer gewissen erzieherischen Logik.

Aber diese Logik geht zu oft flöten: Wenn das Geld nicht an Institutionen fließt, die sich mit der Prävention von Straftaten oder mit Opferschutz befas- sen, dann bekommt das Ganze rasch ein Geschmäckle. Da werden lokale Angler- vereine, Sternwarten, Kegelclubs oder Fördervereine von Schulen mit Tausen- den von Euro bedacht. Wer darüber nach welchen Kriterien entscheidet, bleibt im Dunklen. Dieses System der Vergabe sollte beendet werden. So könnte ein Sammelfonds eingerichtet werden, bei dem ein unabhängiges Gre- mium über die Verteilung der Mittel entscheidet. Sonst entsteht der Verdacht, dass Richter auch mal in freundschaftli- cher Verbundenheit Geldmittel verteilen.

Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 25.07.2019

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