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Recht auf eine „Liebeszelle“ - Minister Schöneburg plädiert für ausgedehntere Langzeitbesuche / Sicherheitsbedenken der CDU
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- Freitag, 23. April 2010 09:18
Nach der Tötung einer Gefängnisbesucherin in Remscheid fordert die Brandenburger CDU eine Überprüfung der Langzeitbesuchsräume in den Justizvollzugsanstalten (JVA) des Landes. Diese dürften kein Sicherheitsrisiko darstellen, sagte der CDU-Rechtsexperte Danny Eichelbaum. Darin ist er sich mit Justizminister Volker Schöneburg (Linke) einig. Aber Schöneburg will die Möglichkeiten für Langzeitbesuche sogar erweitern.
Bei dem Vorfall Anfang April in Nordrhein-Westfalen hatte ein 50-jähriger Häftling – ein verurteilter Mörder – seine Freundin stranguliert und erstochen. Der Mann war nicht durchsucht worden, bevor er in den Raum für Langzeitbesuche gelassen wurde. So gelang es ihm, zwei Messer und einen Radmutterschlüssel in den Raum zu schmuggeln. Die Frau hatte sich von dem Inhaftierten trennen wollen.
Der Vorfall schürte Bedenken gegen die umgangssprachlich „Liebeszimmer“ genannten Langzeitbesuchsräume. Schöneburg verspricht sich von den Begegnungsmöglichkeiten aber eine Festigung sozialer Bindungen der Häftlinge in die Welt außerhalb des Gefängnisses. In Brandenburg soll mit der Neufassung des Strafvollzugsgesetzes, dessen Vorlage für Ende 2011/Anfang 2012 geplant ist, sogar ein Rechtsanspruch darauf bestehen.
Langzeitbesuchsräume gibt es in den Haftanstalten Brandenburg/Havel, Cottbus-Dissenchen, Luckau-Duben und in der Jugendanstalt Wriezen. Nach dem Verbrechen in Remscheid wurden in diesen Anstalten noch einmal alle Abläufe einer Prüfung unterzogen. Schöneburg sieht aber keinen Anlass, die bisherige Praxis zu ändern.
In den „Liebeszimmern“ kann sich der Häftling ungestört mit dem Partner, aber auch mit Kindern oder Geschwistern aufhalten. Die Zimmer erinnern nicht an Zellen. Es gibt eine Bettcouch, Sessel, einen Tisch und Stühle – Wohnzimmeratmosphäre also. Auch eine Küchenzeile ist vorhanden, dazu kommen der Sanitärbereich und eine Spielecke für Kinder. Die Räume werden nicht überwacht, sind aber mit Notruf- und Kommunikationseinrichtungen ausgestattet. Vor und nach jedem Besuch kontrollieren Bedienstete die Räume.
In Brandenburg hat jeder erwachsene Gefangene Anspruch, mindestens zwei Stunden im Monat Besuche zu empfangen. Bei jungen Untersuchungsgefangenen und Häftlingen im Jugendstrafvollzug sind es mindestens vier Stunden. Außerdem sind Sonderbesuche möglich – wie in den Langzeitbesuchsräumen.
Schöneburg spricht sich für ausgedehntere Langzeitbesuche aus. Den Rechtsanspruch darauf will er klarer geregelt sehen. Grundlage aller Regelungen ist Artikel 6 des Grundgesetzes, nach dem Ehe und Familie „unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“ stehen. Besonders bei Gefangenen, die zu langer Haft verurteilt sind, bestehe das Problem, dass die Familien im Laufe der Zeit auseinanderbrechen, so Schöneburg, der lange als Strafverteidiger tätig war.
Einheitliche Maßstäbe, erklärt der Minister, bringen den Gefangenen mehr Rechtssicherheit. Künftig gelte: Wer bestimmte Prüfkategorien erfüllt, hat Anspruch auf Langzeitbesuche. Der Gefangene müsse auch das Recht haben, solche Besuche einzuklagen. Im Vordergrund steht für Schöneburg dabei der Resozialisierungsgedanke. Nach Ansicht des Ministers reichen die bestehenden Sicherheitsvorkehrungen aus – wenn sie eingehalten werden.
Im Vorfeld der Besuchsentscheidung machen sich Vollzugsmitarbeiter, darunter die des psychologischen und des Sozialdienstes, ein Bild von dem Häftling. Er darf sich nicht disziplinarisch auffällig verhalten haben. Besucher müssen sich in der Anstalt vorstellen. Vor und nach jedem Besuch werden die Gefangenen mit Metalldetektoren durchsucht. Zudem müssen sie sich entkleidet abtasten lassen. Die Besucher werden ebenfalls mit Metalldetektoren abgetastet. Persönliche Gegenstände dürfen sie nicht mit in den Besucherraum nehmen – bis auf eine Ausnahme: Babynahrung.
Der CDU-Abgeordnete Eichelbaum verlangt trotz der Sicherheitsmaßnahmen zu prüfen, ob es Langzeitbesuchsräume geben sollte. „Die Gefängnisinsassen befinden sich schließlich nicht zum Spaß in den Justizvollzugsanstalten.“ (Von Stephan Laude)
Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 23.04.2010