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Schleppende Partnersuche - Die Zukunft der Sicherungsverwahrung in Brandenburg ist unklar / Andere Länder sind weiter
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- Montag, 18. Juli 2011 05:32
In Niedersachsen sind die Pläne klar: In Kürze soll in der Nähe von Göttingen die erste Sicherungsverwahranstalt gebaut werden, als eine von zwei Einrichtungen, mit denen die Nordländer gemeinsam auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts reagieren wollen. Die Justizminister von Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen kooperieren, weil eine eigene Anstalt für jedes Land viel zu teuer wäre.
Während man in Niedersachsen bereits an 2013 denkt, wenn die von den Karlsruher Richtern angemahnte Reform greifen soll, ist in Brandenburg noch völlig unklar, wie mit der Herausforderung umgegangen werden soll. Der ursprünglich von Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) angekündigte Plan einer gemeinsamen Einrichtung mit Berlin, die etwa in einem Trakt der Justizvollzugsanstalt Brandenburg/Havel unterkommen könnte, liegt auf Eis. Vor der Berliner Abgeordnetenhauswahl im September wird wohl auch nichts weiter passieren.
Der Rechtsexperte der CDU-Fraktion im Brandenburger Landtag, Danny Eichelbaum, wirft Schöneburg daher Konzeptionslosigkeit vor. „Es geht um die Sicherheit der Bevölkerung“, sagt er. Seitdem Brandenburg Anfang des Jahres mit Berlin ein Eckpunktepapier zur Neugestaltung der Sicherungsverwahrung vorgestellt habe, sei nichts geschehen. Längst hätte sich Schöneburg für eine weiter gehende Länderkooperationen einsetzen müssen, so Eichelbaum. Der CDU-Politiker verwies auf den jüngst bekannt gewordenen Fall eines Sicherungsverwahrten, der nach seiner Haftentlassung im September 2010 zu Jahresbeginn ein siebenjähriges Mädchen in Dortmund missbraucht hatte. Eichelbaum forderte ein engmaschiges Therapie- und Kontrollprogramm sowie die Einführung der elektronischen Fußfessel für entlassene Sexual- und Gewaltstraftäter.
Eine Kooperation mit den vier Nordländern sei keineswegs ausgeschlossen, so der Sprecher des Justizministeriums, Frank Schauka. „Manche Verhandlungen sind kompliziert und brauchen Zeit.“ Wie konkret etwaige Verhandlungen hierzu sind, wollte Schauka nicht sagen.
Auch auf einem anderen Gebiet ist nicht klar, wohin die Reise in Brandenburg geht. Das im Januar verabschiedete Therapieunterbringungsgesetz regelt, dass psychisch kranke und gefährliche Rückfalltäter nach ihrer Entlassung aus der Verwahrung in therapeutischen Einrichtungen betreut werden können. Eine solche ist für Brandenburg nicht geplant, laut Schöneburg auch nicht im Verbund mit Berlin. Es lohne sich schlichtweg nicht. „Allenfalls in Einzelfällen“, so der Minister, müssten Straftäter in Brandenburg nach diesem neuen Gesetz betreut werden. Vor 2014 sei eine Entlassung von Verwahrten, auf die diese Regelung zutrifft, nicht zu erwarten. In Brandenburg seien derzeit lediglich acht Personen in Sicherungsverwahrung.
Auf jeden Fall stehen den Ländern erhebliche Kosten ins Haus. Mit welchen Ausgaben Brandenburg zu rechnen hat, ist angesichts fehlender Konzepte noch nicht klar. In Niedersachsen rechnet man damit, dass die Pro-Kopf-Kosten für die Verwahrung 400 Euro pro Tag betragen. Der klassische Gefängnisaufenthalt schlägt dagegen mit 130 Euro zu Buche.
Schöneburg will die Standards für die Sicherungsverwahrung in dem neuen Brandenburgischen Strafvollzugsgesetz berücksichtigen. Der Entwurf werde derzeit erarbeitet, heißt es. Vorliegen soll es frühestens 2012. (Von Torsten Gellner)
Neue Gesetze für die Unterbringung von Straftätern
* Das Bundesverfassungsgericht hat im Mai eine komplette Neuregelung der Sicherungsverwahrung angemahnt. Unter anderem stellte das Gericht klar, dass die Verwahrung „den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasst“ werden müsse, und dass familiäre und soziale Kontakte in die Gesellschaft ermöglicht werden müssen.
* Delinquenten dürfen also nicht einfach in einer Gefängniszelle untergebracht werden. Die Länder müssen entsprechende Verwahreinrichtungen schaffen, die zwar die Sicherheit gewährleisten, sich aber von Haftanstalten deutlich unterscheiden. Entsprechend hohe Unterbringungskosten werden erwartet.
* Für psychisch gestörte Rückfalltäter müssen die Länder eigene Einrichtungen schaffen. Geregelt ist das in dem im Januar verabschiedeten Therapieunterbringungsgesetz. Es ist eine Reaktion auf die Kritik des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der 2009 die rückwirkende Verlängerung der Sicherungsverwahrung massiv gerügt hatte. gel
Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 18.07.2011