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Presseecho / Landtag

Stasi-Debatte - Dünne Aktenlage schützt „IM Kristina“

Brandenburgs Sozialminister Günter Baaske (SPD) sind bei der stasi-belastete Referatsleiterin für Grundsatzfragen die Hände gebunden. Arbeitsrechtliche Schritte kann er gegen die vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in der DDR unter den Decknamen „Kristina“ geführte Inoffizielle Mitarbeiterin nicht einleiten. Wie Baaske am Mittwoch im Sozialausschuss des Landtags hinter verschlossenen Türen sagte, liegen aus Sicht der Stasi-Unterlagenbehörde keine neuen Erkenntnisse vor. Zwar geht die Behörde in ihrer neuen Auskunft, die Baaske im März beantragt hatte, davon aus, dass die Beamtin bis 1989, also bis zum Ende der Stasi, für den Geheimdienst tätig war. Allerdings ergeben sich aus der Aktenlage auch keinerlei Hinweise darauf, ob Angelika N. zwischen 1986 und 1989 tatsächlich auch weiter gespitzelt hatte.

Die Referatsleiterin war nach Aktenlage vor der Wende Westreisekader, FDJ- und SED-Funktionärin. Sie wurde 1984 in Berlin, wo sie als IM „Kristina“ an der Humboldt Universität Wirtschaftswissenschaftler tätig war, angeworben und 1986 nach Potsdam an die Abteilung XX abgegeben, die für Oppositionelle und Kirchenkreise zuständig war. Aber auch nach dem neuesten Prüfbericht bleibt unklar, ob die IM-Tätigkeit 1986 endete, wie es die Frau behauptet. In den Stasi-Unterlagen vermerkte ein Führungsoffizier in Berlin, dass sie weiterhin zu einer Zusammenarbeit in Potsdam bereit sei, wo sie an der Hochschule tätig war. Jedenfalls hatte der Führungsoffizier in Potsdam in der Akte weder vermerkt, dass die Zusammenarbeit eingestellt, noch dass die Akte archiviert wurde. Ihr Verbleib ist unklar. Lediglich wenn ihr nachgewiesen wird, dass sie über 1986 weiterhin für die Stasi tätig war, könnte Baaske handeln. Aus seinem Umfeld hieß es, der Minister sei keineswegs zufriede  n mit der Personalie. Hier gehe es um einen zu DDR-Zeiten strammen SED-Leitungskader.

Angelika N. hatte bei ihrer Einstellung in den Landesdienst ihre Stasi-Tätigkeit verschwiegen und damit einen Einstellungsbetrug begangen. Das hatte Brandenburgs Aufklärungs-Beauftragte Ulrike Poppe bereits im März erklärt. Angelika N. flog dann 1995 bei einer Überprüfung auf, wurde abgemahnt und 2004 befördert. Damals war Angelika N. auch die Kabinettsreferentin von Baaske, also zu jener Zeit, als ihre wegen der verschwiegenen Stasi-Vita erteilte Abmahnung getilgt wurde, was den Weg freimachte für die Beförderung. Baaske sagte, er haben damals von der Stasi-Vita nichts gewusst.

Zuständig für den Verbleib der früheren Stasi-Mitarbeiter im Landesdienst trotz des Einstellungsbetruges war der damalige Staatssekretär Olaf Sund, auch die frühere Sozialministerin Regine Hildebrandt wusste offenbar davon. Poppe jedenfalls konnte nicht nachvollziehen, was Sund veranlasst hatte, die Mitarbeiterin in „großzügiger Weise“ weiter zu beschäftigen. Damals hatte die Landesbedienstete Sund gegenüber „glaubwürdig dargestellt, wie sehr sie unter dem Leben mit dem Verschweigen gelitten hat“. Und sie hatte erklärt, ihr seien berufliche Nachteile angedroht worden, falls sie nicht mit der Stasi zusammenarbeite. Der Staatssekretär befand daraufhin, Angelika N. habe wegen ihres außerordentlichen und in der Sache loyalen Einsatzes eine Chance verdient. Immerhin hat die Entscheidung, sie nicht zu kündigen, weiter Rechtskraft und ist nicht mehr angreifbar. Heute wird selbst im Ministerium die Erpressungs-Version bezweifelt.

Der im März bekannt gewordene Stasi-Fall hat Baaske veranlasst, sämtliche Personalakten zu prüfen. Am Mittwoch legte Baaske erste Ergebnisse vor. Demnach waren von den 263 Mitarbeitern 173 im Jahr 1989 mindestens 18 Jahre alt. In einem Fall will Baaske schon jetzt einen Prüfantrag bei der Stasi-Unterlagenbehörde stellen. Bei der Mitarbeiterin im gehobenen Dienst liegt zwar ein Negativbescheid vor. Aber trotz fehlender Verpflichtungserklärung gibt es laut Unterlagenbehörden Hinweise aus der Familie der Bediensteten auf eine Stasi-Tätigkeit.

In 28 weiteren Fällen fehlt in den Akten des Ministeriums der Personalfragebogen mit der Selbstauskunft zu einer Stasi-Tätigkeit. Allerdings gibt es bei 14 Mitarbeitern ein Negativ-Bescheid der Stasi-Unterlagenbehörde. Bei den anderen 14 Bediensteten ist dagegen unklar, ob Überprüfungsanträge gestellt wurden. Bei ihnen wird jetzt nach der neuen Gesetzeslage, also nach Einstufung und Funktion geprüft, ob ein Stasi-Check erfolgen soll. Zudem will sich die Landesregierung noch auf neue Richtlinien verständigen. Bei einer Mitarbeiterin ist eine Stasi-Tätigkeit vermerkt, die aber nach einer Woche bereits eingestellt worden war.

CDU-Rechtsexperte Danny Eichelbaum reicht das nicht. „Zentrale Fragen sind unbeantwortet“, sagte er. Etwa warum es seit den 1990er Jahren keinen weiteren Stasi-Check gab und warum SED-Kader eingestellt wurden. „Es gab praktisch keine Überprüfung mehr, es wurde genommen was kam“, sagte er. „Andere, die ihrer Stasi-Tätigkeit angegeben haben, wurde nicht übernommen. Andere, die gelogen haben, machten Karriere.“

Quelle: Potsdamer Neueste Nachrichten, 19.04.2012

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