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Justitia in Not - Bis 2018 soll jede fünfte Stelle an Gerichten, Staatsanwaltschaften und Gefängnissen gestrichen werden

Wenn in brandenburgischen Gefängnissen ein Häftling aus seiner Zelle möchte, passen zwei Beamte auf. Der eine öffnet die Tür, der andere sichert sie. „So sind die Vorschriften – damit niemandem etwas passiert“, sagt Willi Köbke, Landesvorsitzender der Gewerkschaft für Strafvollzug (BSBD). Nun fürchtet er: „Diese Sicherheit werden wir bald nicht mehr geben können.“ Er vermutet, dass auch die Rechte der Gefangenen wegen Personalmangels bald nicht mehr gewährleistet würden.

Verantwortlich für Köbkes Sorgen ist der Entwurf zur „Personalbedarfsplanung bis 2018“, den Finanzminister Helmuth Markov (Linke) vorgelegt hat. Bei Justizverbänden und Gewerkschaften sorgt das Papier für massive Entrüstung. Sowohl BSBD als auch die Deutsche Justiz-Gewerkschaft (DJG) bezeichnen die Sparpläne als „wüste Orgie der Stellenstreichungen“, die eine funktionierende Justiz zerschlage.

Demnach sollen von insgesamt 48 000 Stellen im Landesdienst 6200 bis 2018 gestrichen werden. Die meisten davon in der märkischen Justiz. Von den bislang 5215 Stellen sollen an Gerichten, bei Staatsanwaltschaften und in Gefängnissen rund 550 Stellen wegfallen. Gewerkschaften gehen sogar von rund 915 Stellen aus. Damit soll der Personalbedarf an den demografischen Wandel angepasst werden. Die Verbände befürchten jedoch, dass der Bevölkerungsrückgang die Justiz nicht entlasten werde.

Immer wieder hat Justizminister Schöneburg in der Vergangenheit betont, dass er verstärkt die Resozialisierung von Strafgefangenen fördern wolle. Pläne, an die im Moment wegen des drohenden Personalabbaus niemand mehr glauben möchte. Über die veabsichtigte Rotstiftpolitik a seines Genossen äußerte sich Schöneburg bislang nicht. „Es gibt konstruktive Gespräche auf Arbeitsebene“, sagte Justizsprecher Frank Schauka. Das Gespräch zwischen Schöneburg und Markov stehe noch aus.

Die Zurückhaltung des Justizministers zu dem Thema sorgte vor allem bei der Opposition für Kritik: Schöneburg dürfe sich nicht länger einer Diskussion um die Ausstattung der Dritten Gewalt entziehen und müsse die Abgeordneten einbeziehen, fordert die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Linda Teuteberg. Der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Danny Eichelbaum, bezeichnet die Sparpläne sogar als „Katastrophe für die Justiz“. „Es ist verwerflich, dass sich der Justizminister nicht einmal bei seinem eigenen Parteifreund durchsetzen kann“, so Eichelbaum.

Schon jetzt sei die Personallage schwierig. „Die Strafvollzugsbeamten haben alle Hände voll zu tun. Wir haben nicht umsonst einen Krankenstand von 15 Prozent“, sagt Gewerkschafter Köbke. Gefangene dann noch angemessen betreuen zu können, sei ausgeschlossen. Schon jetzt würden sich Insassen beschweren, dass die Beamten ihren Aufgaben nicht mehr ausreichend nachkämen, sagt Köbke. „Selbst der schlichte Verwahrvollzug wird schwierig werden.“

Auch an den Gerichten herrsche Notstand. „Es gibt überall eine personelle Unterdeckung von zehn Prozent“, so CDU-Politiker Eichelbaum. Die Verfahren würden immer länger dauern. So werden in keinem anderen Bundesland Fälle vor dem Verwaltungsgericht so lange verhandelt, wie in Brandenburg. Bis zu 24 Monate müssen sich Betroffene im Schnitt bis zum Urteil gedulden. Für Danny Eichelbaum ein klarer Eingriff in den Rechtsstaat: „Wenn ein Unternehmer einen Bauantrag stellt, muss er zwei Jahre warten, bis er genehmigt wird. Das muss man sich mal vorstellen“, sagt er.

Auch Jugendstrafverfahren an Brandenburgischen Gerichten dauern immer länger. Und das obwohl die Kriminalität unter Minderjährigen rückläufig ist. Das geht aus der Antwort von Minister Schöneburg auf eine parlamentarische Anfrage der CDU hervor. 2009 lagen an Landgerichten im Schnitt noch 7,1 Monate zwischen Eingang und Erledigung eines Falls in der ersten Instanz. 2011 waren es schon 10,2 Monate. An den Amtsgerichten verlängerte sich die Verfahrensdauer. 2011 wurden Fälle, die vor dem Jugendrichter kamen, nach 3,8 Monaten beendet. Zwei Jahre zuvor waren es noch 3,5 Monate. Bis die Polizei die Fälle an die Staatsanwaltschaften weiterleitet, dauert es im Schnitt zusätzlich rund drei Monate.

Worin die Gründe für die längeren Verfahren tatsächlich liegen, konnten gestern weder Staatsanwaltschaften noch Justizministerium auf Anfrage beantworten. Klar ist, dass die Verzögerungen für das Land teuer werden könnten. Denn wer lange auf sein Urteil warten muss, darf auf Schadensersatz klagen.

Ein weiteres Problem: Würden Jugendliche nicht zeitnah bestraft, verstünden sie das Ausmaß ihrer Vergehen nicht. Dass es falsch ist, zu stehlen, zu randalieren oder zu prügeln, fürchtet Danny Eichelbaum. Andreas Müller, der am Amtsgericht Bernau (Barnim) über junge Straftäter richtet, kann dem nur zustimmen: „Der Staat handelt verantwortungslos“, sagt er. „Die Jungen und Mädchen die Straftaten begehen, werden dieses weiterhin tun, wenn sie keine unmittelbare Strafe spüren. Wenn sie vor mir im Gerichtssaal sitzen, habe ich sie erst einmal unter Kontrolle.“

Für Müller liegen die Probleme allerdings nicht allein auf personeller, sondern auch auf der inhaltlichen Ebene: Seit gut zehn Jahren setzt er sich dafür ein, das so genannte Neuköllner Modell in Brandenburg einzuführen. Jugendstrafverfahren würden dann innerhalb weniger Tage verhandelt. „Vier Monate ist zu lang, wenn man es in sechs Wochen schafft“, sagt Müller. Das Neuköllner Modell geht auf die verstorbene Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig zurück. Es zielt auf zeitnahe Verfahren ab. (Von Marion Schulz)

 

MAZ Kommentar von Volkmar Krause

Justizminister Volkmar Schöneburg hat es bisher ganz gut verstanden, Kürzungspläne für seinen Bereich abzuwehren. So setzte sich der Minister der Linken im Kabinett durch und konnte den Abbau von Gerichtsstandorten verhindern. Sein Hauptkritiker, SPD-Innenminister Dietmar Woidke, musste sich geschlagen geben. Ob Schöneburg aber weiter als Sieger aus dem Ring geht, darf bezweifelt werden. Denn nun könnte es auch für ihn richtig ungemütlich werden. Sein eigener Genosse, Finanzminister Helmuth Markov, will im Zuge des Personalabbaus in der Landesverwaltung im Justizbereich mindestens 550 Stellen streichen. Aber es ist wohl eher von knapp 1000 auszugehen. Selbst wenn alle Amtsgerichte weiter in Betrieb bleiben, stellt sich die Frage, wie man den Abbau von etwa 300 Richterstellen verkraften soll. Schon jetzt ist die Verfahrensdauer teilweise immens. Der Ansatz, dass die Strafe auf dem Fuße folgen soll, um etwa im Jugendstrafrecht einen erzieherischen Effekt zu erzielen, wird schon jetzt kaum umgesetzt.

Schöneburg hat sich erst mal abgeduckt und will die Sparpläne nicht kommentieren. Helfen wird ihm das nicht.

Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 13.06.2012

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