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Presseecho / Landtag

Schöneburgs gewagte Gefängnisreform

Der getürmte Mörder ist gefasst. Brandenburgs Justizminister setzt weiter auf liberalen Strafvollzug, wie Grüne und FDP. Auch SPD und Linke?

Potsdam - Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) will an seinen Plänen für einen liberaleren, stärker auf Resozialisierung ausgerichteten Strafvollzug im Land festhalten. Das betonte Schöneburg am Mittwoch am Rande des Landtages gegenüber den PNN. Zuvor hatte die oppositionelle CDU-Fraktion einen sofortigen Stopp des Gesetzesentwurfs gefordert und dies ausdrücklich auch mit der jüngsten Flucht eines 21-jährigen Mörders aus dem offenen Vollzug der Haftanstalt Wriezen begründet. Der Mann, der nach einer angekündigten Verlegung in den geschlossenen Teil der Anstalt am Montag aus einem Fenster geflüchtet war, wurde am Mittwochnachmittag wieder gefasst. Und zwar, wie das Justizministerium bestätigte, in einer leerstehenden Wohnung nahe der Wohnung seiner Großeltern in Frankfurt (Oder).

Der Mann war 2008 verurteilt worden, weil er als 16-Jähriger mit einem Komplizen einen Obdachlosen in einem Park in Frankfurt getötet hatte. Er sollte 2013 wegen einer guten Prognose vorzeitig entlassen werden. Man werde denn Fall gründlich auswerten, ob daraus Konsequenzen gezogen werden müssen, kündigte Schöneburg an.

Die Debatte im Landtag um die Pläne des Justizministers, die eine Ausweitung des offenen Vollzuges und Hafterleichterungen auch für Schwerverbrecher vorsehen, geht ungeachtet des Falls erst richtig los: Schöneburg nannte es unseriös, dass die CDU einen Zusammenhang zwischen der Flucht des 21-Jährigen zu seinem aktuellen Gesetzesvorhaben gezogen habe. Bei dem Mann sei das gleiche Reglement angewandt worden, das schon zu Zeiten der früheren CDU-Justizministerin Beate Blechinger gegolten habe, sagte Schöneburg. „Es gibt keinen Zusammenhang.“ Zudem gehe es jetzt, wie auch künftig, immer um verantwortwortungsvolle Entscheidungen im Einzelfall und eine gründliche Risikoabwägung, wer in den offenen Vollzug komme und wem Erleichterungen gewährt werden. Schöneburg setzt darauf, dass mehr Resozialisierung die Rückfallgefahr senkt – und damit die Sicherheit der Bevölkerung erhöht.

Der rechtspolitische Sprecher der CDU, Danny Eichelbaum, warnt hingegen, dass „mehr offener Vollzug“ zu mehr Ausbrüchen gefährlicher Gewalttäter führe. Dafür gibt es keinerlei Beleg, widersprach Schöneburg. Er verwies darauf, dass offener Vollzug schon jetzt gängige Praxis sei. Nach der Flucht-Statistik des Justizministeriums hat es in den letzten drei Jahren der SPD/CDU-Koalition zwischen 2007 und 2009 acht Entweichungen aus dem offenen Vollzug gegeben, inden rot-roten Regierungsjahren 2010, 2011 und bisher in 2012 insgesamt neun, womit das Niveau etwa gleich blieb. Während „Ausführungen“, die gesondert gezählt werden, türmten von 2007 bis 2009 zwei Häftlinge, von 2010 bis jetzt einer. Ausbrüche aus den Gefängnissen selbst hat es seit 2004 keinen einzigen mehr gegeben.

Die politischen Konstellationen im Landtag für die Schöneburg-Pläne sind eher ungewöhnlich. Die CDU lehnt den „täterfreundlichsten“ Strafvollzug Deutschlands strikt ab. Doch auch SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher äußerte sich in einer ersten Reaktion zurückhaltend. Schon ein Vor-Entwurf Schöneburgs war vor einigen Monaten in der SPD auf deutlichen Widerstand gestoßen. „Resozialisierung ist Opferschutz. Es geht nicht um Täterschutz“, sagte Holzschuher. „Der Sühnegedanke muss eine Rolle spielen.“ Aber auch in der eigenen Linke-Fraktion kann Schöneburg nicht hundertprozentig sicher sein. Brandenburgs Bevölkerung gilt als konservativ und sicherheitsorientiert. Auch bei den Linken gibt es Sorge, dass Schöneburg mit unpopulären Hafterleichterungen für schwere Straftäter Wähler verprellen könnte. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die rot-roten Koalitionäre seinen Entwurf wieder verschärfen.

Die größte Unterstützung kann der Linke-Justizminister, der früher Strafverteidiger und Verfassungsrichter war, daher von den Grünen und der FDP erwarten. So begrüßte die rechtspolitische Sprecherin der FDP, die Abgeordnete Linda Teuteberg, dass Schöneburg in dem Gesetzentwurf auf Resozialisierungselemente und eine verstärkte Unterbringung im offenen Vollzug setzt. „Dies ist grundsätzlich der richtige Weg und wird von uns Liberalen unterstützt.“ Die Erkenntnisse aus der Praxis zeigen, „dass die Senkung der Rückfallwahrscheinlichkeit nur durch Resozialisierung und nicht durch Verwahrvollzug erreicht wird“. Daran „kommt niemand vorbei, dem es um rechtsstaatliche Lösungen geht“, sagte Teuteberg. „Gerade die Senkung der Rückfallquote dient der Sicherheit der Bevölkerung“. Statt „populistischer Reflexe“, fügte Teuteberg hinzu, seien „umfassende und sachkundige Beratungen“ im Landtag gefragt. Thorsten Metzner

Quelle: Potsdamer Neueste Nachrichten, 30.08.2012

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