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Presseecho / Teltow-Fläming

Umstrittene Turmsperrung - Lob und Kritik für politisches Signal der Kirche

Auf die Türme der Jüterboger Nikolaikirche kommt vorerst kein Besucher hinauf. Die Sperrung ist ein Signal der Kirche an die Stadt, dass Flüchtlingshelfer zu sehr verunglimpft werden. Das gefällt nicht jedem.

Die Auseinandersetzungen um Flüchtlinge in Jüterbog haben einen neuen Tiefpunkt erreicht. Lange schon hatte die Kirchengemeinde als wichtigster Träger der Flüchtlingshilfe die Stadtverwaltung für die ausbleibende Unterstützung kritisiert. Der Ton wurde zuletzt immer schärfer. Jetzt zog der Gemeindekirchenrat die Reißleine: Es darf kein Besucher mehr auf die Aussichtsplattform der Nikolaikirche. Die Sperrung des markanten Wahrzeichens der Stadt trifft den Tourismus. Dafür erntet die Gemeinde durchaus Kritik. 

Vorwürfe gegen Pfarrerin und Flüchtlingshelfer

Am Freitag – während des großen Protestabends in Jüterbog – wurde die Erklärung verlesen, wonach die Sperrung ein Zeichen des Protestes gegen die Verunglimpfung der Arbeit der Jüterboger Flüchtlingshilfe sei. Dafür gab es Beifall im Kirchenschiff.

Anlass sind die vor allem im Internet kursierenden Behauptungen, Mitglieder der Flüchtlingshilfe – speziell Pfarrerin Mechthild Falk – würden kriminelle Aktivitäten von Flüchtlingen decken und hierdurch selbst kriminell werden. Die MAZ hatte zuvor von der entsprechenden Kritik eines Flüchtlingshelfers an seinen Mitstreitern berichtet. Die Diskussion darüber wird heftig geführt – aus Kirchensicht bis hin zu Verleumdung und Beleidigung. Der Gemeindekirchenrat fordert ein städtisches Votum für das Flüchtlings-Engagement, bevor die bei Touristen beliebte Aussichtsplattform wieder für die Öffentlichkeit zugängig gemacht wird. 

Stadtverordnetenvorsitzender fordert Aussprache

„Ich persönlich empfinde das als eine Art Hilferuf einer Kirchgemeinde, die keine andere Möglichkeit des Protestes sieht, als ihr liebstes Kind zu opfern“, sagt Stadtverordneten-Vorsteher Falk Kubitza (SPD). Er war unter den Zuhörern des Gottesdienstes am Freitag und sieht sich als Gemeindevertreter in die Pflicht genommen, möglichst schnell die Aussprache zwischen Stadtverordneten, Verwaltung und Kirchengemeinde in die Wege zu leiten. Aus seiner Sicht schmälert die Schließung von Türmen und Plattform zwar die Attraktivität der Stadt, aber viel größer sei der moralische Schaden durch das politische Klima in der Stadt. 

Im Anschluss an den Gottesdienst suchte Kubitza das Gespräch mit Pfarrer Bernhard Gutsche um zu signalisieren, dass das Signal verstanden wurde. Sofern es Kubitza schafft auch die anderen Stadtverordneten von der Dringlichkeit zu überzeugen, könnte das Treffen noch in dieser Woche stattfinden. 

Linke-Fraktionsvorsitzende: „Schritt nur scheinbar gegen Touristen“

Verständnis für die Schließung der Türme zeigt auch Maritta Böttcher, Linke-Fraktionschefin im Stadtparlament. „Welche Möglichkeiten, um gegen solch üblen Verleumdungen vorzugehen, hätte die Kirchgemeinde denn sonst? Der Schritt richtet sich nur scheinbar gegen Touristen, ist aber in Wirklichkeit ein Appell an die Stadt, sich zu bekennen“, sagt sie auf MAZ-Anfrage, „außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass Türme und Plattform in jüngster Vergangenheit politisch missbraucht wurden.“ Ein Transparent mit Flüchtlingsfeindlichen Parolen war dort im vergangenen Jahr angebracht worden. 

SPD-Generalsekretär: „Ungewöhnliche Maßnahme“

„Das ist eine ungewöhnliche Maßnahme“, erklärt Erik Stohn, Stadtverordneter und Generalsekretär der SPD, „sie zeigt aber, dass wir uns über das politische Klima in Jüterbog unterhalten müssen. Ich weiß nicht, wie Zusammenarbeit und friedliches Zusammenleben funktionieren sollen, wenn eine Pfarrerin oder andere Stadtpolitiker im Internet derart verunglimpft werden.“

CDU-Abgeordneter: „Deeskalation ist das Gebot der Stunde“

Kritischer hingegen sind die Äußerungen des Jüterboger Landtagsabgeordneten Danny Eichelbaum (CDU). „Die Entscheidung des Gemeindekirchenrates trifft aus meiner Sicht die Falschen. Mit der Sperrung des Turmes der Nikolaikirche werden sicherlich weniger Touristen nach Jüterbog kommen“, sagt er. Anstatt öffentlich zu streiten, sollten die Beteiligten das Gespräch suchen und den Konflikt beilegen, rät er: „Jetzt muss von allen Seiten abgerüstet werden. Deeskalation ist das Gebot der Stunde. Es geht hier auch um den Ruf unserer Stadt.“

Fest stehe für Eichelbaum: „Wenn es zu Straftaten von wem auch immer gekommen sein sollte, müssen diese aufgeklärt und geahndet werden. Die Strafverfolgungsverpflichtung des Staates besteht gegenüber Deutschen und Nichtdeutschen gleichermaßen.“

Jüterboger Bürgermeister Raue kündigt Stellungnahme an

Nicht geäußert hat sich bislang Jüterbogs Bürgermeister Arne Raue (parteilos). Er hat angekündigt, sich am Dienstag öffentlich zu den Vorgängen Stellung zu nehmen. Dem für seine sehr kritische Haltung gegenüber Flüchtlingen und der aktuellen Flüchtlingspolitik bekannten Stadtoberhaupt wird vorgeworfen, die Stimmung gegen Pfarrerin Falk und die Flüchtlingshilfe in seiner Stadt mit angeheizt zu haben. von Uwe Klemens

Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 17.04.2018

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