Presseecho / Teltow-Fläming
Sorge um Schloss Wiepersdorf - Zukunft des berühmten Künstlerhauses ist derzeit unklar - Stipendiaten organisieren einen Abend für Erhalt der Residenz
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- Mittwoch, 30. Mai 2018 06:49
Sie alle kamen frohgemut, vorfreudig, sahen Wochen entgegen, in denen sie konzentriert arbeiten, den Austausch mit den anderen Literaten, Künstlern oder Komponisten pflegen wollten. Doch dann ereilte die diesjährigen Stipendiaten des Künstlerhauses Schloss Wiepersdorf die Nachricht, dass die begehrte Residenz in diesem Jahr nur bis Ende Juli statt Ende Oktober bewohnbar sei, dann saniert werde. Und dass irgendwie nicht so ganz klar ist, wie es danach mit diesem Refugium weitergehen wird. „Ein klares Bekenntnis, zu dem auch eine konkrete Zeitplanung und ein Konzept zur Wiedereröffnung des Hauses als Künstlerresidenz gehören würde, ist vom Land Brandenburg bisher leider nicht zu vernehmen“, sagt der Fotograf Sven Gatter besorgt.
Er gehört gemeinsam mit Ulrike Seyboth und Ingo Fröhlich zu der Stipendiaten- Runde, die eigens einen Abend organisiert unter dem Motto: „Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf retten!“. Der findet am 25. Juni ab 20 Uhr im Literaturforum im Brecht-Haus in der Berliner Chausseestraße statt. Annett Gröschner, die 2008 Stipendiatin war, wird aus ihrem Manuskript „Die Köchinnen von Wiepersdorf“ lesen, und Judith Zander, 2013 und in diesem Jahr im Künstlerhaus, trägt eigene Wiepersdorf-Gedichte und welche von Sarah Kirsch vor. 1973 hatte diese ihren Zyklus verfasst an jenem Ort, der 1946 bereits Herberge für Literaten und später auch für Künstler wurde. Der Schauspieler Uwe Bohm wird aus Briefen Bettina und Achim von Arnims lesen - denn das Haus ist eben auch kulturgeschichtlich als Heim des wohl berühmtesten Dichterpaares der Romantik von immenser Bedeutung. „Das Land hat eine Aufgabe!“, sagt die Malerin Ulrike Seyboth. Für Teltow-Flämings Landrätin Kornelia Wehlan (Linke) ist der Ort eine „landesbedeutsame Kulturstätte mit internationaler Ausstrahlung und langer Tradition“, der überdies als denkmalgeschütztes Ensemble ein für die weite Region überaus wichtiger Tourismusmagnet sei. „Angesichts dieser großen Bedeutung, die weit über die Kreisgrenzen hinausreicht, hoffe und wünsche ich mir sehr, dass das Land Brandenburg gemeinsam mit dem Bund Lösungsmöglichkeiten für die Fortführung des Künstlerhauses findet“, erklärt sie. „Wir sind in Teltow- Fläming stolz, eine Kulturstätte mit einer so großen nationalen und internationalen Strahlkraft zu haben“, sagt auch der Jüterboger Landtagsabgeordnete Danny Eichelbaum (CDU).
Einen Brief mit konkreten Fragen haben die Stipendiaten an Entscheider im Land versandt. Eine Antwort kam bislang nicht. So sitzt die Enttäuschung tief. Sie bangen um die Künstlerstätte, denken dabei aber auch an die Menschen, die dort noch arbeiten. „Die finanziellen Probleme sind auch nicht erst seit heute, sondern bereits seit 2016 bekannt, leider ist die Landesregierung viel zu spät aktiv geworden“, beklagt Eichelbaum. Denn dass die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, der die Immobilie gehört, nach 2018 nicht mehr auch Betreiber des Künstlerhauses sein will, war spätestens seit damals klar. Schon da gab es Aktivitäten, das Land an seine Verantwortung für diesen Ort zu erinnern. „Was will man politisch, was will man kulturell, was kann man finanziell?“, fragt deshalb Norbert Baas, Vorsitzender des Freundeskreises Schloss Wiepersdorf, der das Bettina-und-Achimvon- Arnim-Museum im Schloss betreibt und dafür gemeinsam mit einer Expertengruppe Neugestaltungsideen entwickelt. Er spricht von einem „intensiven und konstruktiven Dialog mit dem Ministerium“, den es seit 2016 gegeben habe. Schwarzmalen wolle er nicht, die notwendige Schließung sei in erster Linie der Sanierung geschuldet, falle aber mit dem Ende der Trägerschaft des Hauses durch die Stiftung Denkmalschutz zusammen. „Das ganze Unterfangen darf nicht an Gewicht verlieren“, sagt er. „Wir fühlen uns verbunden und kämpfen auch dafür“, so Baas über das Künstlerhaus. Einige Veranstaltungen haben die Mitglieder des Freundeskreises noch geplant vor der Schließung. So wird jetzt am Sonnabend um 16 Uhr eine Ausstellung der in Frankreich lebenden Malerin und Grafikerin Bettina von Arnim in der Tankhalle eröffnet. Am 30. Juni wird es - sozusagen als Auftakt zur Georgien-Präsentation auf der Frankfurter Buchmesse - Literatur und Musik aus Georgien geben. Erwartet wird dann unter anderem die Autorin Nino Haratischwili. Vom Künstlerhaus selbst gibt es am kommenden Sonntag ab 15 Uhr wieder den allmonatlichen „Treffpunkt Gartensaal“, Christine Anlauff und Alexa- Karina Schöne werden dann lesen, Sven Gatter will Fotografien vorstellen, die zu dem ihn beschäftigenden Thema alter industrieller Überbleibsel im postkommunistischen Osteuropa in der Umgebung entstanden sind. Reinhard Krehl befasst sich unter anderem mit experimenteller Gartenkunst und wird dazu einiges zeigen.
Vorab um 14 Uhr gibt es noch einmal die Gelegenheit, das Museum im Schloss bei einem geführten Rundgang zu erkunden. Auch für den 1.Juli sind Treffpunkt und Museumsführung noch einmal geplant. Wie das für den 22. Juli angesetzte Sommerfest aber angesichts der ziemlich gedrückten Stimmung aussehen könnte, ist für alle ein Rätsel. „Untergangsstimmung im Künstlerschloss erlebt hatte ich schon mal, 2004. Damals gingen die Tore nach Schreckensmonaten doch wieder auf. Und nun?“, fragt Paula Schneider. Die in Niedergörsdorf lebende Autorin war mehrfach, zuletzt 2017, Stipendiatin im Künstlerhaus, das dann 2006 unter der Leitung von Anne Frechen doch wieder eröffnet werden konnte und seitdem von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz betrieben wurde. Um den möglichen Verlust eines wichtigen Stücks Kultur sorgt sich Perfor- © PMG Presse-Monitor GmbH 38 / 82 Zum Inhaltsverzeichnis mance-Künstlerin Nezaket Ekici. 2007 war sie im Künstlerhaus als Stipendiatin, danach immer wieder mal zu Veranstaltungen eingeladen. Sie sei zutiefst erschüttert, dass so ein schöner und inspirierender Ort den Künstlern verloren gehen könnte, schreibt sie aus Rom, wo sie Gast der Villa Massimo ist. „Die Künstler sind angewiesen auf solche Orte. Artists in Residences sind einmalige Gelegenheiten, sich aus dem Alltag herauszunehmen und sich voll und ganz auf die künstlerische Arbeit zu konzentrieren.“ In seiner Funktion als Künstlerherberge gehört der Ort für den in unmittelbarer Nähe aufgewachsenen ehrenamtlichen Wiepersdorfer Bürgermeister Matthias Wäsche (parteilos) zu seinem Alltag einfach dazu. „Mir liegt das Schloss am Herzen“, betont er.
Nicht nur in politischer Funktion, auch ganz privat sei er immer gerne zu den regelmäßigen Veranstaltungen gekommen. „Ich würde mir wünschen, dass unsere Region, das Dorf, die Gemeinde auch Gehör finden“, hofft er auf mehr Transparenz von Seiten des Landes. Eine Potenzialanalyse wurde erstellt und ein Betreiberkonzept wurde entwickelt, Details aber sind daraus noch nicht an die Öffentlichkeit gedrungen. „Da ist so eine Zugewandtheit“, dies spürte der Zeichner Ingo Fröhlich immer wieder, wenn er mit den Menschen in Wiepersdorf und Umgebung ins Gespräch kam. Er hat gemeinsam mit Ulrike Seyboth, mit der er in Berlin das Kunst- und Projekthaus „Torstraße 111“ führt, sein Stipendium noch im Winter angetreten. Einige der für die Aufenthalte nebst finanzieller Förderung Auserwählten ereilte die Bitte, wegen der anstehenden Renovierung zeitlich umzudisponieren. Da, erzählt Sven Gatter, sei er etwas irritiert gewesen. „Wir wollen mit unserer Veranstaltung verhindern, dass das Künstlerhaus stillschweigend unter dem Deckmantel verschwindet“, sagt er. Die Stipendiaten wollen sich weiter vernetzen und, so kündigt Ulrike Seyboth an, gegebenenfalls weitere Veranstaltungen planen. Ins Brecht-Haus wollen sie für den 25. Juni auch Mitarbeiter des Brandenburger Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur einladen. „Eine klare Stellungnahme für das Künstlerhaus, das fordern wir“, sagt Ingo Fröhlich und Ulrike Seyboth ergänzt: „Uns geht es darum, dass es uns sehr am Herzen liegt und es für unsere Arbeit notwendig ist, dass Künstlerförderung weiter ein Thema der bürgerlichen Gesellschaft bleibt.“
Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 30.05.2018