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Presseecho / Teltow-Fläming

Der Albtraum des Sonnenkönigs - Landrat Peer Giesecke im Zwielicht / Korruptionsverdacht und Personalien bringen Verwaltungschef in Bedrängnis

Erfolgsmeldungen begleiteten ihn. Peer Giesecke, Landrat von Teltow-Fläming, hat sich in seinen gut 20 Amtsjahren einen klingenden Namen erarbeitet. Der Kreis heimste unter seiner Führung viele Titel ein: „Nummer 1 im Osten“ war man gleich mehrfach, 2008 „Kommune des Jahres“. Er durfte am Kabinettstisch der Regierung Schröder erklären, wie man im Osten eine Kommune auf die Siegerstraße führt. Die aktuelle Lage ist ernüchternder: Den Kreis drückt eine Schuldenlast von rund 20 Millionen Euro, Tendenz steigend. Schlimmer für Giesecke ist noch, dass er jetzt unter Korruptionsverdacht steht. Diensträume und Privathaus wurden durchsucht. Zudem hat er sich mit einer Personalentscheidung vergaloppiert. In einer – nicht repräsentativen – Online-Abstimmung der MAZ fordern (Stand gestern Abend) 80 Prozent seinen sofortigen Rücktritt. Der joviale Hüne, der sich gegen das Bild des „Sonnenkönigs“ nie ernsthaft wehrte – er gerät in seiner letzt  en Amtszeit in schwere Bedrängnis.

Mit der Wende kam Giesecke als Seiteneinsteiger in die Politik. Die Zeit des Umbruchs war seine Zeit. Die Fördermittel sprudelten. Kreative Köpfe, nicht Paragraphenreiter machten das Rennen. Der Landkreis kann nicht nur mit Wirtschaftsansiedlungen punkten, er ist dank des 200 Kilometer langen Fläming-Skate die Skater-Hochburg Europas. Die Idee stammt von Giesecke. Auch sorgte vor allem er dafür, dass die B 101 wie eine Autobahn ausgebaut wird. Die Denkmäler, die sich ein Politiker zu Lebzeiten in die Landschaft setzen kann, hat er platziert.

Seine Stärke ist jedoch zugleich seine Schwäche. Die Nähe zu Investoren, sie fällt ihm jetzt als Korruptionsverfahren auf die Füße. Er hat einem Investor beim Abriss eines denkmalgeschützten Gebäudes in Großbeeren massiv geholfen. Unter anderem versetzte er einen Amtsleiter, der sich für den Erhalt des Denkmals einsetzte. Giesecke soll im Gegenzug in unangemessener Weise Essenseinladungen angenommen haben. Giesecke weist Schuld von sich. Eine Ermahnung, ein „Du-Du!“, kann er sich aber schon vorstellen – was auch immer das im strafrechtlichen Sinne bedeuten soll.

Der „Sonnenkönig“ Giesecke neigt als Macher zu einsamen Entscheidungen. Und so ist es eine Personalie, die ihm zusätzliche Sorgen bereitet. Giesecke ist in diesen Fragen ohnehin nicht heikel. Das Personal der kreiseigenen Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft zum Beispiel setzt sich zum Gutteil aus Freunden und Familie zusammen; seine Ex-Frau ist dort ebenso tätig wie die Ehefrau eines Beigeordneten. Der „Breitbandexperte“ der Gesellschaft hat zwar eine eher diffuse Qualifikation auf dem IT-Bereich aufzuweisen, ist dafür aber Vize-Chef des SPD-Ortsvereins Zossen – Giesecke steht auch dort an der Spitze. Der andere stellvertretende Vorsitzende dieses Ortsvereins ist übrigens der designierte Wirtschaftsförderungsbeauftragte des Kreises.

Gieseckes Frau, Maria von Schrötter, ist Kreistagsmitglied der SPD. Sie ist beim Diakonischen Werk Tempelhof-Schöneberg beschäftigt und leitet mit der „Produktionsschule für Problem-Jugendliche“ ein Projekt in Teltow-Fläming. Hier steuert der Landkreis jährlich einen sechsstelligen Betrag bei. Der Ex-Chef von Maria von Schrötter beim Diakonischen Werk ist mittlerweile Dezernent für Jugend und Soziales im Kreis. In Personalfragen also ist man im Landkreis einiges gewohnt, dennoch hat Giesecke den Bogen überspannt: Er wollte den Ex-Mann seiner Frau zu seinem persönlichen Referenten machen.

Berndt Freiherr von Schrötter ist Rechtsanwalt in Großbeeren. Es wurde eine Stelle für einen Juristen ausgeschrieben, 15 Bewerber traten an, von Schrötter war laut Giesecke „eindeutig der Beste“. An der Entscheidung vermochten nicht einmal Spitzen-Genossen des Kreises etwas zu ändern. SPD-Kreischef Frank Gerhard, ein besonnener Verwaltungsprofi und Bürgermeister von Ludwigsfelde, rügte eine „politische Instinktlosigkeit“.

Das war noch nicht alles. Nach MAZ-Informationen erhielt Berndt von Schrötter in den vergangenen Jahren bereits Honorare vom Landkreis. Bei Bürgersprechstunden gab er rechtliche Ratschläge zum Großflughafen BBI in Schönefeld. Zwei- bis viermal im Monat wurde er tätig, dafür soll er teilweise mehr als 3000 Euro im Monat erhalten haben. Giesecke kommentierte knapp: „Das ist doch kein Geheimnis.“ Das sehen nicht alle so. Danny Eichelbaum (CDU), Kreis- und Landtagsabgeordneter, legt zur nächsten Kreistagssitzung eine Liste mit 13 Fragen vor. Ihm war das Ganze bislang unbekannt. Der Jurist spricht jetzt von „Vetternwirtschaft“ im „System Giesecke“.

Am Dienstagabend diskutierte die SPD-Kreisspitze zweieinhalb Stunden lang. Totenstille habe geherrscht, heißt es. Giesecke entschuldigte sich, verzichtet künftig ganz auf einen persönlichen Referenten. Das Rechnungsprüfungsamt des Kreises soll prüfen, auf welcher Grundlage Berndt von Schrötter Geld erhielt. Und weil aus der Kreistagsopposition heraus erste Rücktrittsforderungen schallen, versicherte man sich gegenseitiger Loyalität. Es gibt allerdings auch Teilnehmer, die von einer „Farce“ sprechen.

Diese haben sich vielleicht an das Jahr 2007 erinnert. Damals gönnte sich Giesecke als Dienstwagen eine S-Klasse von Mercedes. Empörung machte sich breit. Spät räumte Giesecke „einen Fehler“ ein und gab den Wagen kleinlaut zurück. Er wartete seine Wiederwahl im Dezember 2009 ab. Ab Januar 2010 war er in einem Audi A 8 mit Berliner Kennzeichen unterwegs, Ende März hatte er seinen eigenen A 8, war also wieder in der Ministerpräsidenten-Klasse angekommen. „Ich steh das jetzt durch. Diesmal werde ich den Wagen nicht zurückgeben“, sagte er der MAZ.

Ungeachtet des öffentlichen Aufschreis blieb der Ton im Kreistag ruhig bis wohlwollend. Giesecke hat so lange richtige Entscheidungen zum Wohle des Landkreises getroffen, dass er offenbar einen Blankoscheck besitzt. Seit der jüngsten Kommunalwahl regiert er mit einer Mehrparteien-Koalition und hat eine 75-prozentige Mehrheit hinter sich, die ihn unverwundbar macht. Deshalb rechnet auch kaum jemand damit, dass Gieseckes Kapriolen im Kreistag Wirkung zeigen.

Für den Landrat kommt es aber weit unangenehmer. Seine weitere politische Karriere liegt in den Händen der Neuruppiner Korruptionsstaatsanwälte. Entschuldigungen werden diese wenig beeindrucken. Druck kann er ihnen nicht machen. Sollte Giesecke angeklagt werden, das wissen auch wohlmeinende Genossen, werden die Karten neu gemischt. Politische Gegner schließen schon Wetten ab, wie lange sich der Landrat noch im Amt halten kann. Und Giesecke muss bei all dem tatenlos zusehen. Für einen Macher, einen Sonnenkönig, ist das ein Albtraum. Er ist selber schuld daran. (Von Ekkehard Freytag)

Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 26.03.2011

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