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Kampfmittelräumung Einsatz in der Gefahrenzone - Weltkriegsbomben und Granaten erschweren die Arbeit der Feuerwehren in den Wäldern. Danny Eichelbaum (CDU) fordert Konzepte vom Land.
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- Dienstag, 28. Juli 2015 19:45
Auf Einsätze wie den am Sonnabend würden die Feuerwehrleute aus Nuthe- Urstromtal und Luckenwalde künftig gern verzichten. Sie waren zu einem Waldbrand bei Stülpe gerufen worden. Als sie mit ihrer Arbeit fertig waren, fanden sie einige Meter neben der gelöschten Fläche eine 50-Kilo-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg. "In solchen Momenten mag man nicht darüber nachdenken, was alles hätte passieren können", sagt Mathias Richter, der den Einsatz leitete. "Wenn wir gewusst hätten, dass die Bombe dort liegt, hätten wir das Gelände weiträumig abgesperrt und uns zurückgezogen."
Das Problem: So etwas kann in der Region bei fast jedem Waldbrand passieren, denn die Landkreise Dahme- Spreewald und Teltow-Fläming sind massiv munitionsbelastet. Ob in den Wäldern um Halbe, wo vor 70 Jahren die Kesselschlacht tobte, ob um Ludwigsfelde, wo Fliegerbomben niedergingen, oder in den riesigen Gebieten um Jüterbog, wo das Militär mehr als hundert Jahre lang alles verschossen hat, was fliegt und explodiert - überall liegen tonnenweise Granaten in der Erde. Wie viele es sind, weiß niemand. Schon gar nicht die Feuerwehrleute, die Waldbrände löschen oder zumindest kontrollieren müssen. Um die Gefahr für die Wehren zumindest einzudämmen, hat der CDU-Landtagsabgeordnete Danny Eichelbaum gestern erneut das Land aufgefordert, ein Konzept zu erstellen, wie die vorhandene Munition in den Brandenburgischen Wäldern geborgen und beseitigt werden kann. "Es kann nicht sein, dass wir nach 70 Jahren immer noch unter den Folgen des Zweiten Weltkriegs leiden müssen", sagt er.
Eichelbaum fordert, dass die Landesregierung ein Kataster der belasteten Flächen erstellt und das Geld im Haushalt aufstockt, um Blindgänger zügig und systematisch entschärfen zu können. Ein gemeinsamer Fonds aus Bundes- und Landesmitteln könne der Situation Rechnung tragen, sagt Eichelbaum. Beim brandenburgischen Innenministerium hält man diese Vorstellungen allerdings für realitätsfremd. Der Bund zahle nur für die Entschärfung deutscher Bomben. Auf allen anderen Munitionsfunden bleibe das Land sitzen, sagt Sprecher Wolfgang Brandt. "Der Bund ist derzeit auch nicht bereit, mehr Geld bereitzustellen." Das Land Brandenburg beschäftigt aktuell 61 Mitarbeiter im Kampfmittelräumdienst, die systematisch nach Blindgängern suchen - allerdings in erster Linie in dicht besiedelten Gebieten wie Potsdam oder Oranienburg. In den Waldgebieten im Süden Berlins sei das nicht möglich. "Wenn man diese Wälder beräumen wollte, müsste man dort alle Bäume fällen", so Brandt.
Das wolle keiner und das könne auch keiner bezahlen - davon abgesehen, dass auch dann die Sanierung der riesigen Flächen Jahrzehnte dauern würde. In Brandenburg stehen insgesamt rund 350 000 Hektar Land unter Munitionsverdacht, was etwa der Fläche Mallorcas entspricht. Darunter befinden sich Gebiete wie die Seelower Höhen, auf die im April 1945 beim Durchbruch der Roten Armee das größte Trommelfeuer der Kriegsgeschichte niederging. Die Jahresbilanz des Kampfmittelräumdienstes nimmt sich dagegen verschwindend gering aus: Im Jahr 2013 bereinigten die Mitarbeiter insgesamt 300 Hektar Fläche. Sie bargen dabei rund 300 Tonnen Munition. Weil die Räumung der Flächen nicht möglich ist, hätten die Wehren strikte Anweisung, die entsprechenden Wälder nicht zu betreten.
Im Falle eines Brandes sollen sie nur dafür sorgen, dass das Feuer nicht auf angrenzende Waldstücke oder Dörfer überspringt. "Es gab mal ein Konzept, Ringlinien um die Wälder zu schaffen. Aber der Streuradius der Bomben, die dort vermutet werden, reicht weiter als der Wasserstrahl. Damit war das zu gefährlich", sagt Brandt. Aus diesem Grund werde über Gebieten wie Jüterbog oder Halbe auch nicht mehr mit Löschhubschraubern agiert. Lutz Selent, Ortswehrführer in Jüterbog, hält eine Komplettsanierung des alten Schießplatzes Jüterbog auch für utopisch. "Das sind 3000 Hektar, wer soll das machen", sagt er. Zum Schutz seiner Leute wünscht er sich eher, dass mehr Löschwasserentnahmestellen gebaut und mehr Brandschutzstreifen angelegt werden, die irgendwann das Gelände wie ein Schachbrettmuster durchziehen könnten. "Das würde uns schon helfen", sagt er. Bislang sind die Jüterboger Feuerwehrleute noch oft auf Hilfe von oben angewiesen. In diesem Sommer hat es schon zweimal auf dem Schießplatz gebrannt, am stärksten am 5. Juli, als sich eine Feuerwand durch 130 Hektar Wald fräste. Der Wehr half schließlich der einsetzende Regen, der den Brand fast allein löschte.
Sollte es an einem solchen Tag aber trocken bleiben, dann wäre das Feuer auf großen Flächen praktisch unaufhaltbar, sagt Selent. Wenn es dann zu einem unkontrollierten Wipfelbrand käme, während im Waldboden die Geschosse explodieren, dann würde er auch seine Leute dort abziehen. Alltäglich sind Einsätze an Verdachtsflächen für die Feuerwehr deshalb nie. "Wenn man da ins Auto steigt, fragt man sich immer: Wo begebe ich mich jetzt eigentlich hin?", sagt Selent.
Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 28.07.2015