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Presseecho / Wahlkreis

Zeitgewinn und Geldverlust

Verschiebung der BER-Eröffnung sorgt für Gefühlstaumel zwischen verhaltener Freude und totalem Frust. Zwei Herzen schlagen in seiner Brust, meinte gestern Blankenfelde-Mahlows Bürgermeister Ortwin Baier (SPD). Eines seiner Herzen hüpft vor Freude auf und ab, weil jetzt der Fluglärm ein ganzes Jahr später kommen wird (Baier: „Gott sei Dank!“), aber das andere Herz rutscht ihm in die Hose, wenn er an den wirtschaftlichen Schaden denkt, den die erneute Verschiebung der Flughafeneröffnung verursachen wird.

„Der Flughafenstandort und der Eröffnungstermin sind politisch gewollt gewesen“, resümiert Baier, und stellt fest: „Beides ist in dieHose gegangen.“ Den Standort habe man juristisch durchgesetzt, „aber wenn der Bau nicht ordentlich errichtet wird, erhält er eben keine Genehmigung“.

Bis es dann doch mal so weit ist, sollte die Flughafengesellschaft „endlich zu Potte kommen mit dem passiven Schallschutz“, also dass sie dafür sorgt, dass das Tagschutzziel eingehalten wird und es nicht einmal zur Überschreitung von 55 Dezibel in den Innenräumen kommen wird. „Jetzt haben sie doch die Zeit dafür“, so Baier, „jetzt gibt es keine Ausrede mehr, dass man zu wenig Zeit dafür hätte.“

Ähnlich sieht es sein Großbeerener Amtskollege Carl Ahlgrimm (parteilos), der auch Vorsitzender der Schutzgemeinschaft der Flughafen-Umlandgemeinden ist. Bei der Nachricht über die Eröffnungsverschiebung schwankt er zwischen Freude für die Menschen im Flughafenumfeld und Frust wegen der wirtschaftlichen Konsequenzen. „Das ist eine Katastrophe für die Region und für ganz Deutschland“, so Ahlgrimm. „Wenn es irgendwann einmal zur Inbetriebnahme kommt, kann ich nur hoffen, dass es bei dem Lärmschutzprogramm nicht zu genauso vielen Abweichungen kommt wie von der Baugenehmigung“, meint er etwas sarkastisch.

Der dritte Bürgermeister im Bunde ist Frank Gerhard (SPD) aus Ludwigsfelde. Auch er ist mental hin- und hergerissen. Die Verschiebung ist für ihn „Fluch und Segen“ zugleich. Segen wegen der verlängerten Lärmverschonung und Fluch wegen der Verschiebung der erwarteten positiven wirtschaftlichen Effekte. Der gelernte Kämmerer übt harte Kritik an dem misslungenen Risikomanagement bei diesem Milliardenprojekt. „Als Bürgermeister wissen wir, was alles auf einer Baustelle passieren kann“, meint Gerhard nicht zuletzt mit Blick auf sein Kulturhaus-Projekt, „aber fast eine Verdoppelung der Kosten und die abermalige Verschiebung ist ein nur schwer zu erklärender Vorgang.“ Gerhard fragt sich, ob die Geschäftsführung der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) die richtige sei, die dieses Projekt zu Ende führen könne. Wenn der Aufsichtsrat mittendrin den Generalplaner austauschen könne, dann könne er auch die Geschäftsführung austauschen, ist Gerhard üb erzeugt.

Auch der CDU-Landtagsabgeordnete Danny Eichelbaum fordert die unverzügliche Entlassung von FBB-Geschäftsführer Rainer Schwarz. Das ganze Projekt bezeichnet Eichelbaum als „Serie von Unzulänglichkeiten“. Und in den Gremien der Flughafengesellschaft herrsche „absolute Inkompetenz“.

„Die einzigen, die hier einen guten Job gemacht haben, sind die Mitarbeiter der Bauaufsicht beim Landkreis Dahme-Spreewald und dessen Landrat Stephan Loge“, meint Christoph Schulze, aus der SPD-Landtagsfraktion ausgetretener Abgeordneter und Kreistagsvorsitzender von Teltow-Fläming. Loge und seine Leute hätten starkem Druck standgehalten. Er hoffe nur, dass man auf Landesebene nicht weiter die Augen verschließe, so Schulze. Die Landesregierung habe bei Bürgern und Wirtschaft das Vertrauen verspielt. „Der BER ist das größte Pleiteprojekt Brandenburgs“, so rechnet Schulze vor, „größer als alle anderen großen Pleiteprojekte seit 1990 zusammen.“

Als „Debakel ohne Ende“ bezeichnet Kornelia Wehlan (Linke) die ganze Angelegenheit. Die Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Landtags berichtet, dass die vom Land eingeplanten zusätzlichen Gelder für den BER nicht pauschal überwiesen, sondern erst freigegeben würden, „wenn ein detaillierter Kosten- und Zeitplan auf dem Tisch liegt“. Von dem Auszahlungsstopp durch Finanzminister Helmut Markov (Linke) seien ausdrücklich die Schallschutzgelder ausgenommen, betont Wehlan.

Auf mehr Zeit für Gespräche mit den Landtagsfraktionen, insbesondere mit der Linksfraktion, hofft jetzt Robert Nicolai von der Rangsdorfer Bürgerinitiative Schallschutz (Biss) im Zusammenhang mit dem Volksentscheid für ein erweitertes Nachtflugverbot. Angesichts der durch die Verschiebung zusätzlich entstehenden finanziellen Belastungen für das Land kann er sich nicht so recht darüber freuen.

Das sieht Sigrid Zentgraf-Gerlach von der BI Mahlower Schriftstellerviertel (Bims) auch so: „Für uns Anwohner ist die Verschiebung eine gute Nachricht, aber für die Steuerzahler, die wir ja auch sind, ist es verheerend.“ Da könne man noch nicht mal schadenfroh sein, meint sie. „Vielleicht sollte man jetzt tatsächlich über einen neuen Standort nachdenken, wenn zum Beispiel das Terminal nochmal gebaut werden muss, weil es zu klein ist.“

Darüber denken auch Regina Bomke und Michael Wolny von der CDU in Blankenfelde-Mahlow nach. Sie empfehlen, „noch einmal sehr grundsätzlich die Flughafengrundsatzfragen zu diskutieren“, die sich unter anderem aus der falschen Standortwahl und der zu geringen Dimensionierung ergäben. (Von Hartmut F. Reck)

Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 08.01.2013

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